Rheinische Post: Problem Stoiber?
Archivmeldung vom 18.10.2005
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDie Wahlsieger an der Spitze haben sich mühsam zusammengerauft. Der eine glaubt, er sei eigentlich der rechtmäßige Kanzler. Doch durch schicksalhafte Umstände ist es sein Rivale geworden. Die neue Regierung ist noch nicht im Amt, da gehen dem Unterlegenen die Gäule durch. Er trifft eigensinnig Personalentscheidungen, stellt den Machtanspruch des Regierungschefs in Frage und gibt den Anwalt der kleinen Leute. So war das vor sieben Jahren bei Oskar Lafontaine und Gerhard Schröder. Ende bekannt.
Wird es bei Edmund Stoiber und Angela Merkel etwa ähnlich? Die ersten
Wochen des schwarzen Tandems lassen jedenfalls nichts Gutes erwarten.
Edmund Stoiber, bereits im Wahlkampf das, was Politstrategen eine
"losgerissene Kanone" auf dem Deck des eigenen Schlachtschiffs
nennen, schießt weiter fröhlich in die eigenen Reihen. Dabei trifft
er andere, aber auch sich selbst.
Erst war da sein wochenlanges Zieren, ob er ins Kabinett wechselt.
Dann säte er öffentlich Zweifel an der Richtlinienkompetenz der neuen
Kanzlerin. Jetzt pflanzte er Angela Merkel noch den ungeliebten Horst
Seehofer ins Kabinett. Ganz nebenbei verdeckte Stoiber den deutschen
Wählern so noch den Blick auf die respektable Minister-Riege, die
Angela Merkel gestern vorstellte: mit Schwergewichten wie Schäuble
und Schavan, politischen Talenten wie von der Leyen und Jung.
Der Chef der Sieben-Prozent-Partei CSU agiert offenbar noch sehr aus
seiner bayerischen Weltsicht heraus - nach dem Münchner Motto: Ich
bin so gut, die Opposition mach' ich gleich noch mit. Man muss kein
Prophet sein, um in seinem Ego eines der Probleme der großen
Koalition, vor allem aber ihrer künftigen Kanzlerin zu erahnen.
Bei so viel schepperndem Porzellan könnte Angela Merkel leicht das
Murren aus ihrem größten CDU-Landesverband überhören. Sollte sie aber
nicht. Kein Christdemokrat aus Nordrhein-Westfalen ist künftig im
Kabinett vertreten. Die Union an Rhein und Ruhr sitzt nur am
Katzentisch der Parteipolitik: Der neue Generalsekretär Ronald
Pofalla wird seine Sache gewiss gut machen. Aber in einer großen
Koalition droht ihm das Schicksal, mehr als Sekretär die Partei
organisieren zu müssen, denn als General in die politische
Feldschlacht zu ziehen.
Der zweite Hoffnungsträger, Norbert Röttgen, bleibt, was er in der
Fraktion war - Geschäftsführer. Und Norbert Lammert wird sicher ein
guter Bundestagspräsident sein. Der aber hat überparteilich zu
agieren.
Wer also vertritt die Interessen des größten Bundeslandes in der
neuen Bundesregierung? Gleich drei Sozialdemokraten: Finanzminister
Peer Steinbrück, Gesundheitsministerin Ulla Schmidt und
Sozialminister Franz Müntefering. Das ist gut fünf Monate nach dem
Wahltriumph vom 22. Mai kein überzeugendes Verhandlungsergebnis für
die Landes-CDU und ihren Chef Jürgen Rüttgers.
Quelle: Pressemitteilung Rheinische Post