Allg. Zeitung Mainz: Kommentar zur Lage in Kenia
Archivmeldung vom 16.01.2008
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDie Lage in Kenia ist schlimmer, als sie rund zwei Wochen nach den ersten Gewaltausbrüchen aus der Distanz betrachtet zu sein scheint. Der gestern in letzter Minute geglückte Versuch, einen neuen Parlamentspräsidenten zu wählen, ist noch eine glimpfliche Einstimmung auf die für heute angekündigten dreitägigen Demonstrationen in rund zwei Dutzend Städten des ostafrikanischen Landes.
Die um ihren Wahlerfolg betrogene Opposition hält sich nur noch mit Mühe zurück, während vor allem im Westen des Landes und im Armutsgürtel um die Hauptstadt Nairobi auf brutalste Weise alte Rechnungen zwischen den verfeindeten Stämmen von Luo und Kikuyu beglichen werden. Vieles davon dringt gar nicht nach draußen, weil es für Journalisten längst lebensbedrohlich geworden ist, aus den am stärksten betroffenen Gebieten zu berichten. Präsident Kibaki, ein Kikuyu, spielt wie immer auf Zeit. Das wird diesmal jedoch nicht gelingen. Zu aufgebracht sind seine Gegner; zu viel Blut ist seit der skandalösen Auszählung der Stimmen bereits geflossen. Drei Mal hat er Demonstrationen untersagt, aber solche Verbote ziehen jetzt nicht mehr, weil die Opposition um den eigentlichen Wahlsieger Odinga vom Stamm der Luo den vorhersehbaren Konflikten nicht länger ausweichen will. Schnellstmöglich müssen deshalb die Vereinten Nationen dort eingreifen und mit Blauhelmen dazwischengehen, wenn ein weiterer Völkermord in Schwarzafrika vermieden werden soll. Wenigstens das. Die Prognosen für das Reiseland sowie für die Wirtschaft Kenias sind ohnehin längst ernüchternd. Wenn überhaupt, wird es Jahre dauern, bis das Land sich erholt und halbwegs wieder befriedet ist. Das Paradies ist heute eine Hölle. Welch ein Jammer!
Quelle: Allgemeine Zeitung Mainz