Leipziger Volkszeitung zur Bankenkrise
Archivmeldung vom 18.03.2008
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 18.03.2008 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Thorsten SchmittWo geht denn nun die Reise hin an den Börsen? Weiter abwärts oder vielleicht doch bald wieder bergauf? Wer's wüsste, der könnte Millionen verdienen. Weil er den richtigen Zeitpunkt zum Einstieg in den Aktienmarkt kennt. Aber es weiß eben niemand.
Auch kein Finanz-Guru. Denn immer ist noch völlig unklar, welche Risiken in den Büchern der Banken schlummern. Erst, wenn sie alles schonungslos offengelegt haben, wird das Vertrauen der Anleger und vor allem der Kreditinstitute untereinander zurückkehren. Was aber noch lange dauern kann, wie allein in Deutschland die Beispiele BayernLB, IKB oder LBBW zeigen. Deshalb gleicht zurzeit jede Prognose buchstäblich einem Spruch des Orakels von Delphi. Nun ist die Fast-Pleite der US-Investmentbank Bear Stearns in der Tat ein Fall, der alle Alarmglocken zum Läuten bringt. Vergleiche zum Schwarzen Freitag von 1929 zu ziehen, der eine Weltwirtschaftskrise auslöste, wäre aber ebenso fatal wie falsch. Notenbanken und führende Indus-trienationen agieren heute abgestimmt. Dies wird die Krise über kurz oder lang eindämmen. So viel Optimismus darf sein. Trotzdem: Die Federal Reserve (Fed) musste am Wochenende erneut Feuerwehr spielen. Erstmals seit der Weltwirtschaftskrise stützte sie wieder ein angeschlagenes Brokerhaus. Das ist ein Meilenstein in der Nachkriegsgeschichte und demonstriert den Ernst der Lage, zumal der Staat jetzt direkt in den Markt eingegriffen hat. Was auch nicht das letzte Mal gewesen sein dürfte. Immerhin trudeln noch Schwergewichte vom Format einer Citigroup oder Merrill Lynch, von den kleineren US-Banken ganz zu schweigen. Entscheidend dabei ist, wie sich weltweit die Hypothekenkrise und die Interventionen der Notenbanken auf das Wirtschaftswachstum weiter auswirken werden. Bislang haben die Rettungsaktionen zwar kurzfristig stabilisiert, per se betrachtet verschlechtern sich seit dem Spätsommer aber die Aussichten unisono. Auch in Deutschland, wo ein Forschungsinstitut nach dem anderen seine Prognose senkt. Dass Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU) dennoch die Entwicklung der deutschen Volkswirtschaft optimistisch beurteilt, ist nicht unbegründet. Die Geschäfte laufen. Beim Mittelstand und den Parade-Industrien Maschinenbau, Auto und Chemie sieht es glänzend aus, unabhängig vom harten Euro und vom hohen Ölpreis. Das ist Anlass für Zuversicht, zumal das Gros der deutschen Ausfuhren ins Euro-Land gehen. Ja selbst der Finanzwirtschaft geht es gut. Eine Krise sieht anders aus. Richtig verzockt haben sich im Wesentlichen nur die Staatsbanken. Sollte die Fed aber keine Beruhigung in den Markt bekommen, droht ein Domino-Effekt. Die internationale Arbeitsteilung ist so weit fortgeschritten, dass sich keine Volkswirtschaft der anderen entziehen kann. Anders formuliert: Gehen die Amis in die Knie, folgt Asien und natürlich auch Europa. Das wäre der große Rums.
Quelle: Leipziger Volkszeitung