Das Westfalen-Blatt (Bielefeld) schreibt zur Lage in der Möbelbranche
Archivmeldung vom 21.09.2007
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittEnde August, also gut zwei Wochen vor dem Start der ostwestfälischen Möbelmessen, ist er wieder erschienen, der »Harry Potter« des Möbelhandels. Weltweit wird der Ikea-Katalog in der Auflage nur noch von der Bibel und eben dem Zauberlehrling aus Hogwarts übertrumpft. Inhaltlich bietet er nichts Neues. Nur dass die Preise tendenziell noch weiter nach unten korrigiert wurden...
Möbelmessen, Ikea-Katalog, Rabattschlachten: Auf den ersten Blick
scheint es so, als gingen die Geschäfte der Möbelbranche wie immer.
Das Gegenteil ist wahr: Die Grundlagen für Handel und Industrie haben
sich in Deutschland in kurzer Zeit in einer Weise verändert, die man,
wäre das Wort nicht so abgedroschen, als »historisch« bezeichnen
könnte.
Da ist zum einen der Niedergang von Schieder, bisher die absolute
Nummer 1 in Europa. Zahlreiche weitere Krisen und Insolvenzen - Weco,
Wellmann, Flötotto - kamen in kurzer Zeit dazu. Für einen
Einkaufsverband wie die Bielefelder VME stehen damit auf einen Schlag
mehr als zehn Prozent des Umsatzes zur Disposition. Klar kommt es nur
in seltenen Fällen - und dann auch eher bei Importen aus Polen - zu
Lieferproblemen. Schließlich ist der Sommer keine Einkaufszeit für
Möbel - erst recht, da die Branchenkonjunktur seit den vorgezogenen
Angstkäufen vor der Mehrwertsteuer lahmt.
Doch auch ohne Lieferprobleme sollte sich der Handel überlegen, ob er
auf Dauer mit einer Industrie leben kann, deren Rendite oft nicht
einmal die Hürde von einem Prozent des Umsatzes nimmt. Wenn dann die
Rohstoffpreise steigen, wird die Luft nicht nur für einen modernen
Dinosaurier wie Schieder dünn. Man kann seinen Bedarf natürlich auch
ganz in Fernost eindecken, wie Mode- und Spielzeughändler zeigen. Zu
Risiken und Nebenwirkungen befragen die Händler dann am einfachsten
Mattel.
Während der Möbelhandel eigentlich mit der Industrie nach Antworten
auf die neuen Fragen suchen müsste, steckt er selbst in einer großen
Umbruchphase. Österreichs Lutz-Gruppe saugt auf, was die Lust am
Geschäft verloren hat. Die Expansion führt den Riesen jetzt sogar
schon nach Nordrhein-Westfalen. Die Einkaufsmacht von Lutz erreicht
inzwischen die eines mittleren Einkaufsverbandes - ein Zustand, der
übrigens irgendwann zum Auseinanderbrechen der Begros führen könnte.
Ihr haben sich vor Lutz unter anderem die ostwestfälischen
Möbelhausgruppen Porta und Finke angeschlossen.
Technikfreaks schauen gebannt auf die Neuheiten der Autoindustrie.
Wer chic sein will, starrt auf die neuesten Trends der
Bekleidungsmode. Wen das Fernweh treibt, verfällt der
Tourismusbranche. Was bleibt da für Möbel?
Von allem Genannten möglichst viel, dazu ein Schuss Statussymbol.
Viele Küchen- und Hausgerätehersteller beschreiten diesen Weg bereits
mit gutem Erfolg. Andere sollten folgen. Wem es gelingt, sein Produkt
zur Marke zu machen, hat Chancen. Wer im Land von Hartz IV beim
Preis-Wettrennen vorn ist, hat sie auch. Andere werden ausscheiden.
Die Branche steht am Scheideweg.
Quelle: Pressemitteilung Westfalen-Blatt