Leipziger Volkszeitung zum Stoiber-Rücktritt
Archivmeldung vom 19.01.2007
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDer Sturm fegte gestern über Deutschland. Über Bayern gleich zweimal: meteorologisch und politisch. Und in beiden Fällen mit Ansage. Seit Tagen wurde vor dem Orkan gewarnt, seit Tagen wurde Edmund Stoiber demontiert.
Doch,
während die Wetterunbilden naturgegeben sind, hat der bayerische
Ministerpräsident und CSU-Chef den kalten Wind, der ihn von seinen
Posten fegte, selbst heraufbeschworen. Mit seinem Eiertanz um Macht,
Ministersessel und Kompetenzen in der Berliner Koalition, der mit
einem störrischen Rückzug an die Isar endete, hat er sich selbst
unglaubwürdig und handlungsunfähig gemacht.
Im mit Spannung verfolgten Zusammenraufen innerhalb der großen
Koalition geriet die Personalie Stoiber rasch in den Hintergrund,
nicht aber in Vergessenheit. Die Vorgänge um eine fränkische
CSU-Landrätin waren jetzt nicht mehr als willkommener Anlass für
(Partei)Freund und Feind, um den dienstältesten Ministerpräsidenten
Deutschlands abzusägen. In den seit Tagen anhaltenden Diskussionen um
die Person des in der Wählergunst absackenden CSU-Chefs blieb Stoiber
und seiner Partei letztlich gar keine andere Möglichkeit, als die
eines nach außen hin als geordnet anmutenden Abgangs. In einer
zerrissenen CSU und einer aufgescheuchten Öffentlichkeit mit
bröckelnder Wählergunst musste die zuletzt angewandte Salamitaktik
des Hinhaltens scheitern. Mit dem bodenständigen Innenminister
Günther Beckstein dürften die Christsozialen einen Garanten dafür
gefunden haben, dass sie auch bei der nächsten Landtagswahl wieder
eine satte absolute Mehrheit einfahren. Eintreten für Sicherheit und
Ordnung, Terrorbekämpfung - das sind Themenfelder, mit denen ein
Politiker nicht nur in Bayern punkten kann. Als Integrationsfigur
wird er Partei und Wähler wieder hinter sich sammeln können.
Umso unverständlicher ist es, dass die Christsozialen nun auf eine
Doppelspitze setzen. Eine Lösung, die auch in der Vergangenheit
langfristig nie Erfolg hatte. So wird nun das Gerangel um den neuen
Parteivorsitzenden einsetzen. Der - auf jeden Fall jünger als
Beckstein -, sieht sich auch als dessen potenzieller Nachfolger auf
dem Ministerpräsidentensessel. Hier liegt noch genügend
innerparteilicher Sprengstoff. Die Muskelspielchen zwischen Münchner
Parteizentrale (Huber) und Berliner Bundestagsfraktion (Seehofer)
werden deshalb noch einige Zeit die Schlagzeilen bestimmen, was auch
Auswirkungen auf die Arbeit der Bundesregierung haben wird. Die große
Schwesterpartei CDU braucht Rückhalt und satte Wählermehrheiten aus
dem Freistaat, der auch durch Stoiber eine wirtschaftliche Säule
Gesamt-Deutschlands ist. Klare Personalentscheidungen liegen so nicht
allein im Interesse von CSU und Bayern. Blau-weiße
Profilierungsversuche innerhalb des Unionsbündnisses wären das
Letzte, was die Kanzlerin in einer ohnehin nur beschränkt
handlungsfähigen Koalition derzeit braucht.
Quelle: Pressemitteilung Leipziger Volkszeitung