WAZ: Krebsoperation nach Spende Die Willkür eines Arztes
Archivmeldung vom 19.05.2007
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDas Vorgehen von Prof. Broelsch schockiert. Krebstherapie nach Spende - sollte das stimmen, "ist das unglaublich dämlich", so ein Leitender Arzt.
Nicht geistige Einfalt war es, die Broelsch dazu bewegt hat,
sondern: Willkür. Broelsch ist ein Macher, ein Megastar. Einer, der
in den USA zur Kultfigur aufstieg. Dass Essen es schaffte, dieses
Alphatier zu binden - ein Coup. Broelsch, zwar hoch umstritten,
förderte die Entwicklung der Lebendspende (Teile eines Organs werden
transplantiert, die für den Spender nicht lebenswichtig sind) als
eine Antwort auf den engen Organ-Markt. Und machte sich Feinde, als
er Spender mit Geld locken wollte. Er hat lange in den USA gelebt. Da
ist die Kreativität, an Gelder zu kommen, groß.
Doch die Spenden-Nummer ist "etwas, das sich außerhalb jedes
geltenden Rechts befindet", so Rudolf Henke von der Ärztevertretung
Marburger Bund. Außerhalb einer staatlichen Gebührenordnung für
Selbstzahler, die als Schutz gegen Abzocke dient. Selbstzahlen,
Privileg der Privaten, ist das jetzt Bedingung, um auch als
Kassenpatient die nötige Behandlung zu erhalten? Rechtlich nicht. Ein
Kassenpatient hat Anspruch auf eine Behandlung, die a) nötig ist, b)
zweckmäßig, c) ausreichend und d) wirtschaftlich ist. Was ist
ausreichend? Böse formuliert: Muss es bei der Kniegelenkarthrose ein
Gelenkersatz sein oder reicht vielleicht ein Holzbein? Das Geld
entscheidet.
Kliniken stehen unter einem enormen finanziellen Druck. Allein
von 1995 bis 2004 stiegen die medizinischen Kosten um 47,5 Milliarden
auf 234 Milliarden Euro. Die Gesetzlichen Krankenkassen reduzierten
ihren Anteil von 60 von 56 Prozent (2004: 131,6 Milliarden Euro).
Dennoch zählt Deutschland (noch) zu den besten medizinischen
Versorgern. Jeder Kranke erhält im Normalfall die lebenswichtige
Hilfe. Wie auch jeder Krebskranke im Normalfall die nötige Therapie
erfahren wird. Gut, es gibt Wartezeiten, um die Kosten niedrig zu
halten. Aber längst nicht jede Krebsoperation muss sofort vorgenommen
werden. Die Psyche leidet dabei. Doch das Interesse der Klinik ist
Wirtschaftlichkeit, ist Überleben.
Eine Wunschmedizin ist für die Vollkaskoversicherung, wie wir sie
leisten, nicht drin. Sie könnte für "Standard einfach" reichen. Für
eine Bestversorgung aber werden wir noch tiefer in die Tasche greifen
müssen. Auch wenn es schmerzt - statt für den Urlaub muss das Geld
mal für die neue Hüfte angelegt werden. Schön ist das nicht. Aber -
im Gegensatz zur Willkür eines Arztes - ein ehrliches Geschäft.
Quelle: Pressemitteilung Westdeutsche Allgemeine Zeitung