WAZ: Nachhilfe in der Grundschule
Archivmeldung vom 17.08.2009
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittFrüher sagte man Schulabgängern, dass nun der Ernst des Lebens bevorstünde. Heute sagt man es Kindergartenkindern vor dem ersten Schultag. Mehr Stoff in kürzerer Zeit, mehr Erfolgsdruck verteilt auf weniger Kinder pro Familie: Es ist nur folgerichtig, dass Eltern helfen wollen, wo sie können.
Die Nachhilfe hat also ihren Ruch verloren. Nicht mehr nur die vermeintlich Schwächsten sitzen nach, sondern auch die Leistungsorientierten - schon in der Grundschule. Hier geht es nicht mehr darum, das Schlimmste zu verhindern, sondern das Beste möglich zu machen. Die Nachhilfe ist die Eliteschule des kleinen Mannes. Das ist auch gut so. Lernen kann Spaß machen. Aber tut es das auch unter ständigem Druck? Die Schule ist zu sehr aufs Aussortieren angelegt! Und wider besseren Wissens zeigen wir uns unwillens, eine andere Form der Qualitätssicherung einzuführen - vielleicht weil das Sitzenbleiben so gut mit unseren Berufserfahrungen korrespondiert. Gerade jetzt in der Krise wird wieder gnadenlos ausgesiebt. Davor wollen wir die Kinder bewahren, aber der Grat ist schmal. Wenn wir den Leistungsanspruch überziehen, vermitteln wir ein verheerendes Signal: die Angst vor dem Leben.
Quelle: Westdeutsche Allgemeine Zeitung