Leipziger Volkszeitung zu Anschlägen in Jordanien
Archivmeldung vom 11.11.2005
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 11.11.2005 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Thorsten SchmittHätten wir nach den Anschlägen vom 11. September drei Wünsche frei gehabt, dann wären es wohl vor allem die: Osama Bin Laden verschwindet von der Bildfläche, das Regime der afghanischen Taliban wird entmachtet und Iraks Diktator Saddam kommt vor Gericht. Derzeit sieht die Bilanz sogar noch besser aus:
Der Tod von PLO-Chef
Arafat hat den Weg frei gemacht für dessen moderaten Nachfolger
Mahmud Abbas, während Syriens Präsident Assad UN-Sanktionen und
internationale Ächtung drohen. Wer diesen Teil der Haben-Seite
resümiert, wird US-Präsident Bush Recht geben. Die Welt ist besser
dran ohne Terrormäzene und Bösewichte.
Ist sie das wirklich?
Wer die Lage im Nahen Osten resümiert, kommt zu
einem differenzierteren Schluss. Terror und Gewalt haben ein Ausmaß
erreicht, das einem Flächenbrand gleicht. Seit Bush im Mai 2003 die
größeren Kampfhandlungen für beendet erklärte, sind 30000 Iraker
durch Koalitionstruppen, Kriminalität und Terrorgruppen ums Leben
gekommen. Die Zahl der täglichen Anschläge liegt selbst nach
konservativsten Schätzungen bei 80. Auch die Besatzungsmacht selbst
entrichtet einen hohen Preis. Über 2000 US-Soldaten haben den Krieg
im Irak mit ihrem Leben bezahlt. Bis die ersten Tausend starben,
brauchte es 18Monate, das zweite Tausend war schon nach 14 Monaten
erreicht.
Die Anschläge in ägyptischen Urlaubsorten und jetzt in jordanischen
Ferienanlagen verweisen nun auch auf einen erweiterten räumlichen
Operationsraum der islamistischen Terrororganisationen. Damit hat das
haschemitische Königreich rechnen müssen. Die Nähe von Abdullah II.
zu den USA und Israel machen es zur erklärten Zielscheibe
islamistischer Extremisten. Deren Strategie - Destabilisierung und
Chaos - hat inzwischen einige Aussicht auf Erfolg, denn sie zwingt
einerseits Abdullah bei Strafe seines politischen Untergangs zu einer
noch größeren Nähe zu Washington und isoliert andererseits den
ohnehin umstrittenen Monarchen in der arabischen Welt. Zur
Erinnerung: Aus einer ähnlichen Konstellation in Saudi-Arabien
bezieht Osama Bin Laden einen Großteil seiner Reputation.
Eine größere militärische Präsenz zum Schutz von König Abdullah kann
sich Bush aber auch deshalb nicht leisten, weil die Armee im Irak
gebunden ist. Das entstandene Patt zwischen der Supermacht und
islamistischen Terrorgruppen schafft inzwischen jene Nischen, in
denen El Kaida fast ungestört agieren kann. Noch bleibt der
US-Präsident dabei, die Mission im Irak um jeden Preis zu Ende
bringen zu wollen. Die Zeit allerdings arbeitet nicht für Bush.
Quelle: Pressemitteilung Leipziger Volkszeitung