Börsen-Zeitung: Märchenhaft
Archivmeldung vom 21.09.2010
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDie Fusion von BayernLB und WestLB muss man sich so vorstellen: Zwei Kranke mit jeweils schweren, aber in Symptomatik und Verlauf unterschiedlichen und mindestens teilweise potenziell ansteckenden Leiden werden gemeinsam in ein Bett gelegt. Um die Patienten bemüht sich eine Legion von Ärzten mit sich widersprechenden Diagnosen und Therapievorschlägen.
Gesundheitspolitiker aus Bund und Ländern, die überwiegend durch einen medizinischen Sachverstand auf erschreckend niedrigem Niveau auffallen, mischen sich in die Gestaltung der für notwendig gehaltenen Rosskur ein, weisen aber darauf hin, dass diese für die Standorte der Bettlägerigen nichts kosten dürfe. Zugleich ist die Klinik, in der das Experiment stattfindet, eine Großbaustelle. Den unfreiwilligen Zahlmeister dieser Variante des Gesundheitswesens spielt der Steuerzahler. Und plötzlich steht, wo eben noch zwei Sieche lagen, ein Kerngesunder auf.
Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute. Es erscheint fürwahr märchenhaft, was man da in Düsseldorf und München, unterstützt durch Denkanstöße aus Berlin, ausgekaspert hat. Eines muss man den Beteiligten zugestehen: Die Idee ist zumindest originell, sie ist während des Dreißigjährigen Krieges (nicht dem zwischen Katholiken und Protestanten, sondern dem um die Konsolidierung der Landesbanken) noch nicht allzu oft durchgespielt worden, und es gibt nicht viele, die sie aktuell auf dem Zettel hatten. Nur: Märchenhaft ist diese Geschichte allein im Sinne von unwirklich.
Die Fabel aus der Klinik auf die reale Bankenwelt übertragen heißt doch: Zwei Häuser in immer noch ziemlicher Schieflage, darunter die "fusionserfahrene" BayernLB, beide mitten in der Restrukturierung steckend, beide auf der Suche nach einem zukunftsträchtigen Geschäftsmodell, tun sich zusammen, schaffen - während das Finanzsystem regulatorisch umgekrempelt wird - die drittgrößte Bank der Republik mit addiert fast 600 Mrd. Euro Bilanzsumme und fast 16000 Beschäftigten und halten sich ganz nebenbei noch ein paar andere Optionen offen. Für die Refinanzierung und das Rating soll das alles wohl folgenlos bleiben. Nach drei Jahren Finanzkrise will man eine Bank basteln, die umso mehr "too big to fail" ist als beide Partner allein. Der Bankennotarzt Soffin wird schon mal um "konstruktive Begleitung" gebeten. Soll heißen: Steuerzahler, zur Kasse bitte für eine Fusion, die niemand braucht!
Quelle: Börsen-Zeitung