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Der Weg zur Knechtschaft

Archivmeldung vom 29.11.2014

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 29.11.2014 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Die schlechten Beispiele machen Schule. Die EZB hat die Zinssätze für Einlagen der Geschäftsbanken in den negativen Bereich gedrückt und damit die ökonomische Welt endgültig auf den Kopf gestellt. Der Zins ist die wichtigste Kennzahl in einem Wirtschaftssystem – er steht nicht nur für den Preis des Geldes, sondern gibt den Menschen auch den eindeutigsten Hinweis auf das Risiko eines Investments. Die Schaffung der Währungsunion ließ die Zinsen im Süden und Westen der Eurozone auf künstlich niedrige Niveaus absinken. Hierdurch wurden die Bürger Spaniens, Irlands oder Portugals dazu verleitet, sich übermäßig hoch für Immobilien zu verschulden. Sie ermöglichten es Griechenland, den Schuldenmarathon zu eröffnen. Weltweit gaben Investoren willig Kredit, denn die relativ niedrigen Zinsen vermittelten den Eindruck, das Risiko sei überschaubar.

Mit der Einführung von Negativzinsen hat die EZB den Zinskompass endgültig zerstört. Die ersten Bankhäuser geben jene bereits an ihre Kunden weiter.

Dies entspringt zwar unternehmerischer Logik, ist aber aus volkswirtschaftlicher Perspektive völlig absurd. Denn ein negativer Zinssatz von sagen wir -0,2 Prozent pro Jahr bedeutet, dass ein Bankkunde lieber in einem Jahr 99,8 Euro erhält als heute 100 Euro. Jedes vernunftbegabte Wesen wird sich auf ein solches Geschäft nur dann einlassen, wenn es davon ausgehen kann, dass die Kaufkraft von 99,8 Euro in einem Jahr die Kaufkraft von 100 Euro heute übersteigt – in einem Papiergeldsystem eine einigermaßen unwahrscheinliche Annahme.

Was werden die Konsequenzen sein? Nun zunächst einmal dürften die Kurse von Anleihen und Aktien weiter steigen, denn die negativen Zinsen treffen ja zunächst nur institutionelle Anleger und Großkapitalvermögen. Diese werden also gezwungen, tendenziell weniger Cash zu halten und ihr Kapital anzulegen, auszugeben bzw. zu verleihen. Gerade dies ist ja die Idee hinter den Negativzinsen. Aber – wie es bei Manipulationen und Interventionen eben so ist – wird dies natürlich nicht das einzige Resultat bleiben. Nach und nach werden sich die Besitzer kleiner Vermögen fragen, ob nicht auch ihnen eine „Guthabengebühr“, so die unnachahmliche Formulierung der Commerzbank, drohen könne und sie werden beginnen, ihr Geld vom Bankkonto abzuheben und auf das „Kopfkissenkonto“ einzuzahlen. Erste Ansätze hiervon sehen wir bereits. Diese Menschen wollen nämlich nicht in Aktien anlegen oder über ihre Verhältnisse konsumieren. Sie wollen sparen und gerade in wirtschaftlich unsicheren Zeiten ihr Geld zusammenhalten.

Es sind schon merkwürdige Zeiten: Nicht einmal sechs Jahre ist es her, dass Angela Merkel und Peer Steinbrück gemeinsam vor die Kamera traten. Live und zur besten Sendezeit schwindelten sie die Bürger an. Die Bankguthaben seien durch den deutschen Staat geschützt und niemand müsse Angst um sein Geld haben, erklärten die beiden mit ernster und überzeugender Mine. Der Schwindel flog nicht auf (zumindest nicht sofort) und der bereits einsetzende Bankrun konnte damals noch einmal in letzter Minute gestoppt werden. Die Deutschen beließen ihr Kapital mehrheitlich bei den Banken. Was damals als die ultimative Bedrohung des Finanzsystems galt, wird heute von der Zinspolitik der EZB geradezu heraufbeschworen – verrückte Welt!
Nun ist es durchaus nicht unwahrscheinlich, dass man sich Frankfurt, Berlin oder Brüssel der Problematik bewusst sind. Falls jedoch nicht, gibt es vermeintlich kluge Köpfe. Diese haben lange und viel studiert und normalerweise noch länger und viel mehr Zeit in Staatsinstitutionen verbracht. Dies befähigt sie, Lösungen für Probleme zu liefern, die ohne die staatlichen Eingriffe und Manipulationen nie entstanden wären.

Ein solch vermeintlich kluger Kopf ist der „Starökonom“ Kenneth Rogoff. Dieser stellte kürzlich fest, dass Problem an den negativen Zinsen seien nicht etwa die wirtschaftlichen Verwerfungen und Fehlanreize, die durch sie entstehen und schon gar nicht die Enteignung weiter Teile der Bevölkerung, sondern...das Bargeld. Genau dieses nämlich ermögliche es den Bürgern, sich der „Guthabengebühr“ zu entziehen. Da muss man erst einmal drauf kommen!

So ganz von ungefähr, kommt Rogoffs Vorstoß freilich nicht. Schließlich war er einmal Chefökonom und wissenschaftlicher Direktor des IWF. Da weiß man, was von einem erwartet wird und so ist seine Feststellung eine schöne Vorlage für die alten Kollegen. Die nämlich hatten im vergangenen Jahr in einer IWF-Studie vorgeschlagen, zur Lösung des Schuldenproblems einfach allen Bürgern 10 Prozent ihrer Vermögen zu nehmen. So ließe sich wieder der Schuldenstand von 2007 erreichen. Zwar versäumten Rogoffs Kollegen zu erklären, warum ausgerechnet der Schuldenstand von 2007 als Ziel erwählt wurde und nicht beispielsweise der von 1984 als die Schulden doch ungleich niedriger waren...klar ist allerdings in jedem Falle, dass Bargeld für dieses Vorhaben hinderlich wäre.

Aber nicht nur Harvard-Professoren wünschen ein Ende des Bargelds. In Italien sind Bargeldgeschäfte über 1.000 Euro verboten und in Schweden wird fleißig daran gearbeitet, Bargeld ganz abzuschaffen. Schließlich wird Bargeld ausschließlich von Kriminellen verwendet – Steuerhinterzieher, Mafiosi, Drogendealer, Bankräuber. Wer dies nicht glaubt, dem sei gesagt, dass der Enkel, welcher von seiner Großmutter einen Schein zum Geburtstag erhielt, den Staat eigentlich um die Schenkungssteuer prellt und der Nachbarsjunge, der für 20 Euro den Rasen mäht, eigentlich als geringfügig Beschäftigter angemeldet werden muss – Steuerhinterzieher in Reinform also.
Tatsächlich wird so natürlich weder die organisierte Kriminalität besiegt noch ein höheres Steueraufkommen generiert. Stattdessen wird der vollständig gläserne Bürger geschaffen. Was immer er einnimmt, was immer er ausgibt, der Staat sieht es, der Staat kontrolliert es. Am Horizont zeichnet sich eine Dystopie ab, in welcher der Staat Übergewichtigen den Erwerb von Pizza und Chips verwehrt (schließlich liegen auch die Gesundheitsdaten komplett vor und der Staat will ja nur das beste für seine Bürger), Käufe „falscher“ Literatur blockiert, nach der dritten

Geschwindigkeitsüberschreitung den Kauf von Benzin untersagt und natürlich jederzeit direkten Zugriff auf die Konten der Bürger hat, um so eventuell weitere Solidaritäts- oder Demokratieabgaben jederzeit effizient einziehen zu können.

In solch einem System Widerstand zu leisten, wäre ob des ungeheuren Risikos kaum mehr vorstellbar: Widerspenstigen Bürgern kann hier mit einem einzigen Mausklick der gesellschaftliche Boden entzogen werden. Während den Protesten im Oktober dieses Jahres in Hongkong schlossen einige Banken Kunden aus, die an den Protesten teilgenommen hatten. In einer bargeldlosen Gesellschaft wäre dies gleichbedeutend mit einem Todesurteil. Ohne Konto wäre es unmöglich, Essen zu kaufen oder eine Wohnung anzumieten. Die Mobilität wäre sofort ebenso enorm eingeschränkt wie die Fähigkeit zu kommunizieren. Ein effektiveres Sanktions- und Drohpotential ist kaum vorstellbar.

Bargeld, selbst wenn es aus Papier besteht, ist geronnene Freiheit. Immer deutlicher tritt zu Tage, dass die finanzielle Repression auch die Repression der bürgerlichen Freiheitsrechte erzwingt. Wirtschaftliche Freiheiten sind untrennbar mit politischen Freiheiten verbunden. Wer die einen reduziert, reduziert zwangsläufig auch die anderen. Der eingeschlagene Weg der EZB ist höchst bedrohlich – er führt geradewegs in Diktatur und Knechtschaft.

Quelle: Freitagsgedanken, von Dagmar Metzger, Steffen Schäfer und Christian Bayer, Liberale Vereinigung

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