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Die Leipziger Volkszeitung zu Bleiberecht

Archivmeldung vom 15.11.2006

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 15.11.2006 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Das Seil ist dünn, hängt durch und schaukelt. Ein Horror für Polit-Artisten. Dennoch riskieren Union und SPD die ersten Schritte auf dem Wackel-Strick. Bleiberecht heißt der Balanceakt zwischen politischen, humanitären, juristischen, wirtschaftlichen und sozialen Anforderungen.

Klären will man zunächst das Problem der so genannten geduldeten Ausländer. Sie sind registriert, ihre Abschiebung wurde beschlossen, jedoch von den Behörden aus zumeist humanitären Gründen über Jahre auf Eis gelegt. 190 000 solche Fälle soll es geben.
Das schwierigere Themenfeld sind dagegen Menschen, die sich ohne jede Rechtsgrundlage in Deutschland aufhalten. Inmitten unserer hoch entwickelten Zivilgesellschaft leben nach grober Schätzung eine Million Männer, Frauen und Kinder außerhalb aller staatlichen Regeln. Nicht nur ihr Hiersein ist ungesetzlich, es löst permanent weiteren Rechtsbruch aus: Illegale Vermietung, Schwarzarbeit, Steuerhinterziehung, Verletzung der Schulpflicht. Auch Kirchen betreten dünnes juristisches Eis, indem sie Bedrängten Asyl gewähren. Die meisten Betroffenen sind schonungsloser Ausbeutung ausgeliefert, dabei nicht einmal kranken- oder rentenversichert. Die Menschen sind vor noch schwierigeren Verhältnissen in der Heimat geflüchtet. Ihr abgeschottetes Milieu bildet keinen Raum für Integration, aber Humus für Fanatismus, Terrorismus und Kriminalität.
Hinnehmbar ist dies nicht. An Stammtischen und unter Kirchengewölben wird über zwei Radikallösungen debattiert. Nummer 1: Alle abschieben. Praktisch ist das unmöglich. Falls es denn gelänge, die Menschen aufzugreifen, wäre es Pflicht des Rechtsstaates, zunächst in hunderttausenden Fällen humanitäre Bleibegründe zu prüfen. Lösung Nummer 2: Alle einbürgern. Das wäre menschlich anständig, womöglich auch ein Segen für den Billiglohnsektor, aber ein Fluch für die Sozialsysteme.Zumal Deutschland einen Massenansturm weiterer Immigranten verursachen würde.
Union und SPD wagen jetzt den Hochseilakt des Kompromisses - wenn auch vorerst nur bei den amtlich geduldeten Ausländern. Wer mit diesem Status lange hier lebt, darf offiziell Arbeit suchen, wer sie findet, kann bleiben. Das ist weder die menschlichste noch die sozial- und wirtschaftspolitisch beste Lösung, aber ein praktikabler, rechtsstaatlich vertretbarer Mittelweg. Vorerst scheut sich die Koalition, ein ähnliches Angebot jenen zu unterbreiten, die hier seit Jahren illegal leben. Denn juristisch hieße das: Der Bruch des Gesetzes wird belohnt, man muss ihn nur lange genug betreiben, ohne erwischt zu werden. Eine Schwindel erregende Logik.

Quelle: Pressemitteilung Leipziger Volkszeitung

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