WAZ: Stellenabbau in den Konzernen
Archivmeldung vom 28.02.2008
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittVon sozialer Verantwortung ist in vielen deutschen Konzernen nicht mehr viel übrig. Richtig ist, dass Stellenabbau unter gewissen Umständen nötig ist. Die ehemaligen Top-Manager etwa bei der Telekom oder bei Siemens haben jahrelang den übermäßigen Aufbau von Arbeitsplätzen zugelassen und sich nicht um eine gesunde, schlanke Konzernstruktur geschert. Schon damals wurden grobe Managementfehler begangen.
Allerdings ist es zu einfach, die heute verantwortlichen
Vorstände wegen der Fehlleistungen ihrer Vorgänger aus der
Verantwortung zu entlassen. Deren bloßes Erfüllen von
Analystenforderungen ist ekelhaft. Und pervers ist die Reaktion der
Börse auf Konzernankündigungen von tausendfachem Arbeitsplatzabbau.
Jedes Mal steigt dann der Kurs des jeweiligen Unternehmens. Hinzu
kommt die Art und Weise, wie Konzernlenker Jobabbau-Programme
verkünden. Da werden Zahlen genannt, die überhaupt nicht
nachvollziehbar sind. Siemens etwa wusste am Dienstag zunächst nicht,
wie viele Beschäftigte in NRW betroffen sind und nannte einen
Standort, den es gar nicht gibt. Das ist dilettantische Kommunikation
ersten Ranges. Wenn Mitarbeiter und deren Familienangehörige um ihre
Existenz fürchten müssen, dürfen sie zumindest ehrliche Aufklärung
erwarten.
"Ein Unternehmer muss ein Mitempfinden für seine Leute haben",
forderte Abtprimas Notker Wolf Anfang der Woche noch auf dem
Politischen Forum Ruhr. Auf viele Mittelständler trifft dies zu. Sie
sind näher dran an der Belegschaft, kennen sie oft seit Jahren
persönlich, fühlen sich für sie und ihre Angehörigen verantwortlich.
Auch der Mittelstand kennt schlechte wirtschaftliche Zeiten. Doch
versuchen viele Unternehmer, diese Zeiten in enger Absprache mit
ihren Angestellten zu durchleben. Wahrheit ist da oft das beste
Mittel. Einige der sogenannten Top-Manager dagegen entpuppen sich in
diesen Wochen, in denen Manager-Gehälter, Aktienoptionen und
Steuerhinterziehung die Nachrichten beherrschen, als kalt
kalkulierend. Doch auch hier wird es eine Marktbereinigung geben.
Denn mit schlechtem Image lassen sich mittelfristig Waren nicht gut
verkaufen. Massenhafter Arbeitsplatzabbau hilft da nicht weiter.
Aufpassen müssen in dem Zusammenhang übrigens auch die
etablierten Parteien. Wer in diesen Zeiten keine gesunde Distanz zu
den Wirtschaftsbossen hält, wird abgestraft. Einzig Profit schlägt
daraus Die Linke, die trotz ihres wenig durchdachten Parteiprogramms
mit breitem Grinsen in die Parlamente einzieht.
Quelle: Westdeutsche Allgemeine Zeitung (von Wolfgang Pott)