Börsen-Zeitung: Echte Freunde
Archivmeldung vom 21.04.2009
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittNach 59 Minuten freiem Vortrag, 46 Seiten Präsentation und hunderten von Arbeitsstunden hatte Arcandor-Chef Karl-Gerhard Eick erst mal alles gesagt, was es zu dem Restrukturierungskonzept zu sagen gibt. Der Weg des Finanzfachmanns Eick, der fast ein Jahrzehnt lang die Zahlen der Deutschen Telekom verantwortete, ist klar zu erkennen. Weg von den Visionen des Vorgängers Thomas Middelhoff, hin zu nüchternen Zahlen wie Cash-flow und Rendite.
Letztlich aber konzentriert sich bei Arcandor alles nur auf ein einziges Wort, das erst auf der vorletzten Seite der Präsentation im Mittelpunkt einer Grafik stand: Unterstützung. Die nämlich braucht Arcandor. Nur wenn es gelingt, mit Lieferanten Preise neu zu verhandeln; wenn es gelingt, Banken zur Verlängerung der Kreditlinien zu bewegen; wenn es gelingt, mit Vermietern neue Konditionen zu vereinbaren - dann und nur dann kann Eick mit dem Restrukturierungsprogramm überhaupt Erfolg haben.
Einen zusätzlichen Finanzierungsbedarf von 900 Mill. Euro hat Eick für die kommenden fünf Jahre ausgemacht. Da liegt eine große Last auf den Großaktionären Sal. Oppenheim und Madeleine Schickedanz, die möglicherweise mal wieder bereit sein müssen, eine Kapitalerhöhung mitzutragen. Man kann wohl davon ausgehen, dass gerade die Bank Sal. Oppenheim, die mit Friedrich Carl Janssen den Aufsichtsratschef von Arcandor stellt, dem Restrukturierungsprogramm am Wochenende zugestimmt hat. Die Krise aber ist längst auch bei dem Kölner Bankhaus angekommen, und die Gesellschafter werden sich die Frage stellen, wie lange es sich die Bank noch leisten will, letztlich leisten kann, Arcandor im Bestand zu haben. Historische, ja vielleicht sogar freundschaftliche Bande zur Quelle-Erbin Schickedanz und zu Arcandor dürften auch beim Bankhaus begrenzt sein. Kein Wunder also, dass die Arcandor-Aktie am Montag um über 10% abstürzte, denn gesichert ist mit Eicks Plänen noch gar nichts.
Eick hat die Finanzkennzahlen in den Mittelpunkt seines Rettungsplans gestellt. Wie mehr Kunden in die Karstadt-Häuser strömen und der Versandhandel eine Renaissance erfahren sollen, darüber hat man wenig erfahren. Aber auch die Kunden muss Arcandor als Verbündete haben, sonst ereilt den Konzern doch das gleiche Schicksal wie Hertie oder Woolworth.
Quelle: Börsen-Zeitung (von Inken Schönauer)