Das Westfalen-Blatt (Bielefeld) schreibt zur Situation von CDU und SPD
Archivmeldung vom 05.02.2008
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittBeide Volksparteien geben dieser Tage ein bemerkenswert bemitleidenswertes Bild ab. Wo stehen wir, und wo wollen wir hin? Fragen, auf die SPD und CDU schwer Antworten finden. Den Schaden hat die Demokratie: In Niedersachsen verzichtete beinahe jeder zweite Wahlberechtigte darauf, seine Stimme abzugeben.
Dessen vollkommen ungerührt feiern die Sozialdemokraten Andrea Ypsilanti und ihren »Wahlerfolg«. Dabei ist das Ergebnis in Hessen - vor noch nicht allzu langer Zeit eine Bastion der Sozialdemokratie - eher dürftig ausgefallen. Das 7,6-Prozentpunkte-Plus täuscht. 36,7 Prozent sind der zweitschlechteste Wert der Nachkriegsgeschichte. Und die 30,3 Prozent, die der niedersächsische Spitzenkandidat Wolfgang Jüttner für seine Partei geholt hat, markieren gar einen Negativrekord. Strategisch noch bedeutsamer ist, dass der von Parteichef Kurt Beck angeordnete Linksrutsch der SPD nichts genutzt hat. Weder wurde eine klare eigene Regierungsmehrheit gewonnen, noch konnte die Linke aus den Landtagen gehalten werden. Bei der CDU fällt die Bestandsaufnahme nicht viel besser aus. Erst verliert Roland Koch die Nerven und missbraucht das Thema Jugendkriminalität plump für Wahlkampfzwecke. Und kaum dass die Wähler diese Glaubwürdigskeitslücke aufgedeckt haben, melden sich 17 Heckenschützen aus der Union, um mit Koch abzurechnen. Das ist nicht minder populistisch. Schließlich ist unstrittig, dass das Problem krimineller, ausländischer Jugendlicher auf die Tagesordnung gehört. Das wissen auch die Briefunterzeichner, doch ihre Sorge am 24. Februar in Hamburg ein zweites Hessen zu erleben, ist größer. Im Versuch, es allen recht zu machen, stoßen CDU und SPD immer öfter an ihre Grenzen. So täte an erster Stelle eine Selbstreflexion Not. In Erinnerung ihrer großen Geschichte sollte sich die SPD vielleicht ein bisschen stärker der eigenen Kraft besinnen, anstelle in Ehrfurcht vor den linkspopulistischen Truppen um Oskar Lafontaine und Gregor Gysi zu erstarren wie das Kaninchen vor der Schlange. So bescheiden die Umfragewerte für Beck und Co. auch sein mögen, die Partei hat es nicht nötig, sich von der Linken den Kurs diktieren zu lassen. Das Gleiche gilt für die CDU, die von Kirchhof bis Rüttgers, von Merz bis Laumann und von Koch bis von Beust alles an politischen Konzepten immer mal wieder anbietet, um es beim erstbesten Widerstand wieder einzusammeln. Das Rumlavieren zwischen mehr Markt und mehr Staat, zwischen Integration und Abschiebung, zwischen konservativer Klientel und neuer Mitte hält zwar für jeden etwas bereit, auf Dauer wird dem Publikum davon allerdings auch reichlich schwindelig. Sicher, zum Wesen der Volksparteien gehört es ja gerade, die unterschiedlichsten Interessengruppen unter einen Hut zu bringen. Dazu ist Meinungsvielfalt notwendig. Beliebigkeit verbietet sich aber. Ohne klares Profil ist auf Dauer kein politischer Profit zu erzielen. Dafür hat Hessen den besten Beleg geliefert.
Quelle: Westfalen-Blatt