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WAZ: Das Gas als Waffe - Kommentar von Lutz Heuken

Archivmeldung vom 30.12.2005

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 30.12.2005 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Im russisch-ukrainischen Konflikt ums Gas wird längst Tacheles geredet: Die Ukraine droht, im Fall eines russischen Lieferboykotts die Pipeline nach Westeuropa anzuzapfen. Und Russlands Verteidigungsminister Iwanow stellt sogar die Anerkennung der ukrainischen Grenze in Frage.

Das alles klingt sehr beunruhigend und man kann nur hoffen, dass das Wort vom „Gaskrieg” zwischen Moskau und Kiew eine sprachliche Geschmacklosigkeit bleibt.

Nun sind die Rollen in diesem Stück rasch verteilt. Hier die tapferen orangen Revolutionäre aus der Ukraine, dort der böse Kreml- Chef Putin, der Kiew für die anti-russische Politik bitter abstraft.

Wirtschaftlich gesehen ist der Fall so einfach nicht. Russland verlangt von der Ukraine ab Januar den Weltmarktpreis für Gas. Das Argument, man sehe nicht ein, ein souveränes Land weiterhin mit Millionensummen zu subventionieren, ist nicht ohne weiteres von der Hand zu weisen.

Doch der Konflikt spielt sich eben nicht auf dieser rein ökonomischen Ebene ab. Die fast unverstellte Brutalität, mit der Moskau vorgeht, macht den Vorgang zu einem Politikum ersten Ranges. Hier zeigt der Kreml brachial alte imperialen Ansprüche.

Die Zeiten, da Moskau die Nachbarn mit Militärgewalt disziplinierte, sind zum Glück vorbei. Die Großmacht-Mentalität des Kreml aber ist ungebrochen. Nun dienen Öl und Gas als Waffe, aufsässige Anrainer zu beugen. Wie sonst ist zu erklären, dass zwar die Ukraine den höheren Gaspreis bezahlen soll, nicht aber Weißrussland, wo der moskautreue Alexander Lukaschenko regiert, Europas letzter Diktator.

Westeuropa und speziell Deutschland sind von dem ruppigen ukrainisch-russischen Streit unmittelbar betroffen. Kurzfristig mag es zwar gelingen, einen Ausfall der durch die Ukraine führenden Pipeline auszugleichen. Langfristig aber stellt sich die Frage der Versorgungssicherheit völlig neu.

Wie zuverlässig sind die russischen Energielieferungen, die uns von der Politik jahrelang als solide Alternative zum Öl aus der Krisenregion des Nahen und Mittleren Ostens angepriesen wurden? Wer garantiert, dass Putin – oder sein Nachfolger – nicht irgendwann einmal auch gegenüber Westeuropa das Gas als Waffe einsetzt, um politisches Wohlverhalten zu erzwingen?

Alt-Kanzler Schröder wurde nicht zu Unrecht ein allzu unkritisches Verhältnis zum „lupenreinen Demokraten” Putin vorgeworfen. Diese Politik war und ist ein zu hoher Preis für das Gas, das Deutschland braucht und das Russland liefert.

Das Beispiel der Ukraine sollte Berlin Mahnung sein, seine Energiepolitik nicht allzu sehr an Moskau auszurichten. Dann nämlich ist auch Deutschland erpressbar.

Quelle: Pressemitteilung Westdeutsche Allgemeine Zeitung

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