Meine fünf Cent zum Euro – Ein Plädoyer für den Euro und eine zweite Währung
Archivmeldung vom 07.01.2012
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDas derzeitige weltweite Finanzsystem kann wohl dauerhaft keinen Bestand haben ohne zu schweren gesellschaftlichen Verwerfungen zu führen. Mit Pressemeldung von Mittwoch habe ich die Akzeptanz der oberbayrischen Regionalwährung „Regio“ durch die GefKO bekannt gegeben. Dies ist natürlich als eine eher spielerische Geste auf die Herausforderungen der Eurokrise gemeint. Ob Regionalwährungen oder Schwundwährungen einen Beitrag zur Lösung der derzeitigen Krise liefern können vermag ich in letzter Konsequenz nicht zu beantworten, schaden können sie sicher nicht. Insbesondere für den Wirtschaftskreislauf in Krisenländern wären sie derzeit aus meiner Sicht wünschenswert, da sie mit ihrer erhöhten Umlaufgeschwindigkeit ein sinnvolles Gegengewicht zu den derzeitigen Sparorgien der öffentlichen Haushalte bilden würden.
Der Euro sollte nicht leichtfertig in Frage gestellt werden und sein Erhalt politische Priorität haben. Ich gehe davon aus, dass der Euro auch in zehn Jahren noch existiert und gestärkt aus der Krise hervorgehen kann. Dazu muss aber ein weiterer, bisher kaum diskutierter Geburtsfehler des Euro, nämlich die Heterogenität der wirtschaftlichen Leistungskraft - entweder korrigiert oder mittels gigantischer Transferzahlungen kompensiert werden. Dies ist keine neue Erkenntnis. Gerade wir in Deutschland haben mit der Wiedervereinigung und dem „Solidaritätszuschlag“ doch Erfahrung und wissen bestens, wie viel es kostet und wie lange es dauert mittels Transfers annährend gleiche Wirtschaftskraft und Lebensverhältnisse zu schaffen. Auch Norditalien konnte schon zu Lirazeiten ein Lied von Transfers in den Süden singen. In beiden Fällen war eine einzige, einheitliche Währung vermutlich schon damals nicht die beste Lösung aus wirtschaftlicher Sicht.
Eine Rückkehr zur D-Mark oder zur Lira ist deshalb auch keine gute Alternative zum Euro. Im Grunde bräuchte man dann in Deutschland eine Ostmark, eine Südmark und eine Nordwestmark. Italien wäre mit einer Nord- und Südlira vielleicht richtig aufgestellt. Holland und Österreich kämen mit einer Währung aus, aber schon Belgien müsste man in Wallonien und Flandern aufteilen. Man erkennt schnell, dass dies zwar theoretisch denkbar, praktisch aber der allergrößte Blödsinn wäre. Viel besser wäre es ZUSÄTZLICH zu der Hauptwährung, also dem Euro, regionale Währungen ohne Wertaufbewahrungsfunktion zu haben. Dieses Geld kann zum Euro einen festen Wechselkurs haben, muss es aber nicht. Langfristig und ab einer gewissen Verbreitung wäre ein Floating wünschenswert, um für unterschiedliche regionale Wirtschaftszonen unterschiedliche Kostenniveaus und Umlaufgeschwindigkeiten zuzulassen. Der Euro bleibt dabei immer gesetzliches Zahlungsmittel und im internationalen Handel würde sowieso nur in Euro abgerechnet. Mit Einführung eines solchen Systems könnte Griechenland im Euroraum bleiben und gleichzeitig die Drachme wieder einführen, um den Binnenmarkt anzukurbeln. Natürlich würde eine lokale Währung in Griechenland sofort drastisch abwerten, aber genau das wäre ja gewünscht. Neue Länder könnten unter Beibehaltung der Altwährung einfacher zum Euroraum hinzutreten, was zumindest für die Wirtschaft förderlich wäre.
Abgesehen von der Heterogenität des Wirtschaftsraums bin ich in Summe für die Eurozone als Ganzes zunächst mal eher optimistisch. Rein von den Zahlen ausgehend ist die Staatsverschuldung in Europa mit Ausnahme Griechenlands heute schon moderat im Vergleich zu den USA, Japan oder Großbritannien. Dies gilt absolut und erst recht beim Zuwachs der Verschuldung. Kontinentaleuropa ist mit seiner zurückhaltenden Forderung nach einer geringen Transaktionssteuer sowie erweiterten Eigenkapital- und Haftungsvorschriften für die Banken (CRDs zu Basel III) einigen großen Playern aber offenbar bereits ein Dorn im Auge. Vielleicht auch deshalb konzentriert sich die eigentlich globale Finanzkrise auf Europa und den Euro, der allen jüngsten Problemen zum Trotz eine große Errungenschaft ist und mit allen vernünftigen Mitteln unbedingt verteidigt und weiterentwickelt werden sollte.
Auch die Umrisse einer Gesamteinigung für Europa werden allmählich sichtbar und es zeigt sich ein Cocktail, der zu einem heftigen Kater führen könnte: Notenbanken und IWF sollen Nothilfen geben und der Stabilitätsfonds soll schon Mitte 2012 einsatzfähig sein. Eine erste zinslose und wohl tatsächlich alternativlose Spritze für notleidende Banken in Höhe von 500 Milliarden Euro(!) wurde Ende Dezember in der Hoffnung ausgeschüttet, dass das Geld für teilweise hohe Zinsen an die Euro-Staaten zurückfließt. In den Verfassungen werden Schuldengrenzen verankert. Es gibt – zumindest und bis auf weiteres - keine Eurobonds, und auch keine Beteiligung „privater Gläubiger“, also der Finanzbranche.
Insbesondere Letzteres ist aus meiner Sicht skandalös: Nachdem Banken und Finanzdienstleister uns - ebenfalls unter Umgehung aller marktwirtschaftlichen Prinzipien - die Finanzkrise eingebrockt hatten, wurden sie von der Allgemeinheit, also dem heutigen und zukünftigen Steuerzahler, gerettet, ohne selber größere Kosten tragen zu müssen. Nicht nur, aber vor allem deshalb stiegen in Folge die Staatsschulden über kritische Niveaus. Vor allem deswegen, und weil inzwischen in den immer wieder gern zitierten „Finanzmärkten“ die Marktwirtschaft durch einige große Player, allen voran Goldman Sachs, den Ratingagenturen und einigen daran eng angelehnten Hedgefonds außer Kraft gesetzt ist, haben wir nun – unter anderen - eine Staatsschuldenkrise.
Erneut haben sich einige Banken und Finanzdienstleister, die wohl nicht zum „gut informierten innersten Kreis um Goldman-Sachs gehören“, verspekuliert, weil sie zu viele dieser Anleihen im Vertrauen auf die Ratingagenturen gekauft hatten. Erneut zahlen den Schaden mittelständische Unternehmen und Steuerzahler. Griechenland, Italien, Spanien und Portugal zahlen durch brutale Sparprogramme, die dort wohl eine Belastung sogar der Demokratie werden dürften. Die Nordländer zahlen, indem ihre Kreditwürdigkeit belastet wird und indem ebenfalls eine Umverteilung von der breiten Masse zu einigen gutverdienenden Bankern und anderen Finanzjongleuren die logische Konsequenz sein wird.
Die einzig richtige Möglichkeit wäre eine massive Beteiligung „privater Gläubiger“, also der großen Finanzinstitute, gewesen. „Private Gläubiger“ sind ja nicht normale Bürger – es sind große Finanzmarktakteure mit eigenen, hochbezahlten Analysten, Abteilungsdirektoren, Vorständen und Aufsichtsräten. Im Falle Griechenlands sind die Hauptgläubiger die griechischen Banken, die wiederum genau den griechischen Oligarchen gehören, die mit Ihrer Korruption und Gier das Land ins Unglück gestürzt haben. Dies sind die Akteure, deren Vermögen wir nun schützen und derentwegen wir wohl in den nächsten zwanzig Jahren keinen vernünftig investierenden Staatshaushalt mehr haben werden. Wir leben in einer Welt, in der die Finanzoligarchie mit uns macht, was sie will. Wo bleibt die Haftung von Goldman Sachs, die mit ihrem „Manipulationsconsulting“ den Eintritt Griechenlands zur Eurozone erst möglich gemacht hat? Dabei wird dann die Finanzoligarchie von Springer und teilweise auch von Bertelsmann noch unterstützt, die gerne Stereotypen vom faulen Griechen zeichnen, so wie Sie es zuvor bis zu Hartz IV jahrelang vom faulen deutschen Sozialhilfeempfänger getan haben. Die meisten Politiker plappern das dann volksnah nach. Die Rolle der Politik ist dabei insgesamt sehr diffus. Ich mag dort inzwischen angesichts des teilweise pathologischen Verhaltens einiger Politiker (Namen möge jeder selbst einfügen) in jüngster Zeit allerdings keine Verschwörung annehmen, weil Dummheit als hinreichende Erklärung ausreicht.
Dazu passt auch eine Meldung aus den USA: Nach dem Freedom of Information Act wurden Ende 2011 rund 27.000 Seiten Dokumente der Zentralbanken freigegeben. Die Banken selbst hatten das bis zum Schluss bekämpft, denn in diesen Dokumenten steht Ungeheuerliches: Als es den Banken in den USA im Herbst 2008 am schlechtesten ging haben sie 7,7 Billionen Dollar als kurzfristige Liquiditätshilfen zu 0,01 Prozent Zinsen bekommen. Das entspricht rund der Hälfte des US-Bruttosozialprodukts. Allein am 5. Dezember 2008 waren es 1,2 Billionen Dollar. Da nehmen sich die oben erwähnten 500 Milliarden für die europäischen Banken zur Bewältigung der Eurokrise doch eigentlich recht bescheiden aus – oder?
Mit diesen Hilfen haben die Banken in den USA mal schnell 13 Milliarden Dollar verdient und so ihre Eigenkapitalquoten und Boni wieder aufstocken können. Es wundert mich nicht, dass sie das alles lieber im innersten Kreis gehalten hätten. En zusätzlicher Skandal daran ist, dass all dies noch nicht bekannt war, als 2009 und 2010 die Finanzbranche reguliert werden sollte. Stattdessen hat die Finanzlobby in den USA mehr noch als in Europa eine Armee von Rechtsanwälten und Lobbyisten auf die Abgeordneten losgelassen – in den USA waren es angeblich drei Lobbyisten je Abgeordneten. Gut, dass es in Europa inzwischen Finance-Watch gibt.
Es sei zu erwähnen, dass jeder Euro oder Dollar irgendwie, irgendwo, irgendwann in der realen Wirtschaft verdient werden muss und nur einmal verteilt werden kann, auch wenn es bis zu einem gewissen Grade in der Tat durch Kredite zu zusätzlicher Nachfrage und damit Wohlstand kommt. Dank unserer raffinierten Möglichkeiten der Geldschöpfung - die Goldman-Sachs CEO Goldfein glauben lassen er sei der Auserwählte Gottes Werk zu verrichten - kann diese Leistung aber eben auch fast beliebig in die Zukunft verlagert werden, zuzüglich Zinsen versteht sich. Das heißt aber auch: Das Geld für die Wertschöpfung von heute ist bereits verteilt. Entweder es wurde konsumiert oder es sucht bereits hektisch nach neuen, rentablen Anlagemöglichkeiten! Dies ist den meisten Menschen nicht bewusst und schlimmer noch, mittelständische Unternehmen und normale Steuerzahler stehen alleine da! Die Politik scheint uns global nicht helfen zu wollen oder ohnmächtig zu sein, sie unterwirft sich eher den großen spekulativen Finanzmarktakteuren oder ist wie in den USA sogar weitgehend mit Ihnen identisch (die oben erwähnten Liquiditätshilfen fallen in die Ära des von 2006 bis 2009 amtierenden Finanzministers Paulson, der vor seinem Eintritt in die Regierung CEO von Goldman-Sachs war). Europa mit „Merkozy“ verhält sich da immerhin deutlich besser als der Rest der Welt. Wohl auch aus diesem Grund werden von Goldman-Sachs und der angelsächsischen Finanzindustrie aber auch immer neue Attacken gegen Europa gefahren. Die Situation ist also eigentlich etwas anders und leider sehr viel schlimmer, als es in den Nachrichten immer dargestellt wird.
In dieser Situation muss man sich darüber im Klaren sein, dass es keine Sicherheiten mehr gibt und wir längst unter die Räuber gefallen sind. Der Schutz des Eigentums von Bürgerinnen und Bürgern wird durch eine global rechtlose Gesellschaft zunehmend ausgehöhlt. Wenn dann der große Showdown kommen sollte darf man davon ausgehen, dass für Normalbürger der Besitz von Gold wie in fast allen historischen Krisensituationen zuvor wieder verboten sein wird, Immobilienbesitz und anderes Vermögen wird dann im Rahmen eines Lastenausgleichsgesetzes wohl für einen Neustart ebenfalls herangezogen und drastisch besteuert werden.
Schulden sollte man aber auch keine haben, denn das Szenario einer zumindest temporären Deflation ist sehr wahrscheinlich, wenn die Sparbemühungen europaweit so weitergehen, wie sich das in den Südländern 2011 dargestellt hat und für 2012 breiter Konsens ist. Auch Deutschland ist auf Dauer keine konjunkturelle Insel. Hinzu kommt, dass einige globale Finanzmarktakteure offensichtlich inzwischen schon die Währungsgewinne eines möglichen Umtauschs in alte Währungen einpreisen. Bei einer dann stark aufwertenden D-Mark würde die Anlage in deutsche Anleihen, die sonst ja real Negativzinsen hat, plötzlich wieder Sinn ergeben. Anlagen in Italien sind dagegen dann selbst mit 7% schlecht verzinst.
Aus dieser Perspektive sollte man das Ganze halt auch mal betrachten, auch wenn es so in den Medien leider nicht diskutiert wird. Hoffen wir, dass es soweit nicht kommt und unsere Politik doch noch einsichtig und mutig wird. Aber Mutmacher gibt es wenig. Apropos Italien: Mit Draghi und Monti kommen die beiden momentan wohl mächtigsten Männer Italiens direkt von der Gehaltsliste von Goldman Sachs. Letzterer immerhin nur als Berater, dafür aber als Vorstandsmitglied der Bilderberg-Konferenz, zu der immer auch gerne deutsche Spitzenpolitiker gehen. Ein Schelm, der jetzt wieder Böses dabei denkt. Das klingt zwar nicht mehr nach Bunga Bunga, aber nach Dolce Vita auch nicht in diesem wirtschaftlich zumindest im Norden gesunden Land. Das Gleiche gilt für den Griechen Papademos, der ebenfalls zum Netzwerk von Goldman Sachs gehört und bei den Beitrittsbetrügereien wohl eine maßgebliche Rolle spielte. Diese Drei werden wohl demnächst dafür sorgen, dass Staatsbesitz - also Volksvermögen - in Europa, vor allem aber in Griechenland und Italien, an institutionelle Investoren zu sehr niedrigen Preisen zum Zwecke der Staatsentschuldung verkauft werden soll. Wetten werden angenommen, Widerstand ist geboten!
Mit einer kleinen regionalen Währung kann man die Welt vielleicht nicht verändern. Aber zumindest ist sie den großen Finanzströmen schon mangels Liquidität und Transaktionskosten entzogen. Die finanztheoretischen Hintergründe dazu findet man bei Gesell und eine „Success Story“ im sogenannten Wunder von Wörgl. Auch in Thailand übernahmen Regionalwährungen mal während der Krise des Baht die volle Funktion des Geldes. Man kann natürlich auch Zigaretten bunkern. Gold und Silber machen in Krisen immer Sinn, aber man muss in heftigen Krisen von einem Verbot ausgehen. Bitcoins sind eigentlich auch eine geniale Idee, werden von den Regierungen und Bankern aber als Zahlungsmittel mit Sicherheit aufs äußerste bekämpft und diffamiert werden, untergraben sie doch jedes heute existierende Machtgefüge. GefKO akzeptiert Bitcoins trotz gewisser Sympathien vorerst jedenfalls noch nicht. In der derzeitigen Situation kann es aber nicht schaden über alternative Finanzsysteme mal nachzudenken und ein wenig damit zu spielen.
Was man aus meiner Sicht tun sollte: Erstens endlich das Griechenlandproblem lösen mit allen Konsequenzen, welchen Weg man dafür auch immer einschlägt. Das kann man nicht aussitzen und es wird für die griechische Bevölkerung nur immer schlimmer - und teurer für (fast) alle anderen. Zweitens der EZB als Lender of Last Resort freie Hand zur Abwehr der Spekulation durch die Schaffung neuen Geldes und damit zur Verteidigung aller anderen Länder geben. Ja, dies könnte zu mehr Inflation führen, aber dies ist im Zweifel tatsächlich das geringere Übel. Die in finanzpolitischen Dingen immer etwas clevereren Schweizer haben es uns mit ihrer Kopplung des Franken an den Euro letztes Jahr erfolgreich vorgemacht. Bei diesen beiden Themen könnten regionale Währungen zur Entschärfung der Probleme wesentlich beitragen. Drittens wäre dann endlich die Tobin-Steuer in Europa einzuführen. Sollen die ultraschnellen Computer und das Hochfrequenztrading der Großbanken und Hedgefonds ihren Schaden woanders anrichten. Diese Form der „Wertschöpfung“ und Arbeitsplätze brauchen wir nicht. Viertens ist die hinlänglich diskutierte Trennung des Einlagen- und Kreditgeschäfts vom Investmentbanking endlich durchzuführen, auch wenn das einigen Bankern natürlich nicht passt. Es war DIE historische Fehlleistung von Bill Clinton den Glass-Steagall Act 1999 in USA aufgelöst zu haben. Es wäre uns viel erspart geblieben. Ach ja: Sein Finanzminister damals hieß Robert Rubin. Der war zuvor 26 Jahre bei Goldman-Sachs gewesen und gehört heute zum engeren wirtschaftlichen Beratungsteam von Präsident Obama.
Die derzeitigen Probleme sind mit Mut und Entschlossenheit lösbar. Man darf aber zum Austrocknen des Sumpfes nicht ständig nur mit den Fröschen reden. Bleiben wir hoffnungsvoll und glauben an die richtigen Entscheidungen unserer unabhängigen, vom Volk gewählten Politiker in Europa!
Quelle: GefKO - Gesellschaft für Kostenoptimierung mbH (openPR)