Lausitzer Rundschau: Willkommen im Jahr 2011
Archivmeldung vom 27.06.2011
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 27.06.2011 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Thorsten SchmittWir schreiben das Jahr 2011, und es gibt tatsächlich noch Menschen, die sich angesichts fußballspielender Frauen ernsthaft die Frage stellen: Dürfen die das? Um dann gönnerhaft zu erklären, na ja, eine Chance müsse man den Damen angesichts der Weltmeisterschaft im eigenen Land ja doch wohl geben. Auch wenn einige von ihnen vor dem Spiel Wimperntusche auftragen, anstatt sich wie Bayern-Star Mario Gomez literweise Gel in die Haare zu schmieren. Eine Chance?
Damit hat sich die männliche Fußballwelt tatsächlich lange sehr schwer getan. Das Recht, Fußball zu spielen, mussten sich Frauen und Mädchen gegen Anfeindungen, Häme und das steinzeitliche Weltbild mancher Funktionäre erst hart erkämpfen. Es hat Jahrzehnte gedauert. Inzwischen aber zählen Deutschlands Fußball-Vereine mehr als eine Million Mitglieder weiblichen Geschlechts. 74000 Fans füllten am Sonntagabend das Berliner Olympiastadion beim WM-Auftakt der deutschen Nationalelf gegen Kanada. Und in Brandenburg haben die Sportfans in den vergangenen zehn Jahren nicht weniger als sieben Mal die Turbinen aus Potsdam zur Mannschaft des Jahres gewählt - gegen männliche Konkurrenz wohlgemerkt. Der Frauenfußball hierzulande braucht keine Chance, er hat sie längst genutzt. Freilich: Das Interesse an der Frauen-Bundesliga ist noch immer recht bescheiden. Und von den Gehältern und Werbeeinnahmen ihrer männlichen Kollegen können die deutschen Nationalspielerinnen nur träumen. Aber was sagt das schon? Männerfußball hat in Deutschland eine singuläre Position. Alle anderen Sportarten - ob nun von Männern oder Frauen ausgeübt - müssen damit leben, dass sie die ganz große Aufmerksamkeit nur bei Top-Ereignissen bekommen. Und auch dann meist nur, solange sie herausragende Leistungen bringen. Am Publikumszuspruch und den Verdienstmöglichkeiten der Fußballprofis gemessen, hätten Turner, Radsportler oder Ruderer beiderlei Geschlechts ihr Tun mangels öffentlichen Interesses längst einstellen müssen. Ohnehin ist der Vergleich unangemessen. Männer- und Frauenfußball sind so unterschiedlich wie Männer- und Frauenhandball oder Männer- und Frauentennis. Aber wer würde etwa einer Steffi Graf ihren Platz in der Ruhmeshalle des Sports absprechen, weil sie im direkten Duell mit Boris Becker nie den Hauch einer Chance gehabt hätte. Birgit Prinz, Kerstin Garefrekes und Alexandra Popp müssen sich bei der WM nicht gegen Bastian Schweinsteiger, Lukas Podolski und Mesut Özil durchsetzen - sondern gegen die Brasilianerin Marta, die Engländerin Kelly Smith oder die US-Amerikanerin Abby Wambach. Das wird schwer genug. Äußerlichkeiten, über die jetzt viel diskutiert wurde, sind dabei Nebensache - unabhängig von der noch zu klärenden Frage, ob das deutsche Glamour-Girl Lira Bajramaj tatsächlich mehr Zeit vor dem Spiegel verbringt als der portugiesische Fußball-Pfau Cristiano Ronaldo. Schönheitspreise, eine alte Fußballerweisheit, gibt es auf dem Platz eh nicht zu gewinnen. Was dort zählt, ist allein die Leistung. Nur daran müssen sich Sportler messen lassen. Nur davon lassen sich die Fans in den Stadien und an den Bildschirmen begeistern. Wir schreiben das Jahr 2011, und die deutschen Frauen spielen nicht um gesellschaftliche Akzeptanz. Sondern um den Weltmeistertitel.
Quelle: Lausitzer Rundschau (ots)