Rheinische Post: Kommentar: Das WestLB-Urteil
Archivmeldung vom 20.06.2008
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDas Landgericht Düsseldorf stellte Jürgen Sengera ein denkbar schlechtes Zeugnis als Manager aus. Der WestLB-Chef habe bei der Übernahme des Fernseh-Verleihers Boxclever seine Pflichten massiv verletzt, weder Bücher noch Risiken ausreichend geprüft und sich unter Zeitdruck setzen lassen.
An den Stammtischen der Republik wird man kaum verstehen, warum Sengera dennoch mit einem Freispruch davonkommt. Doch im deutschen Rechtsstaat ist es nicht Aufgabe der Gerichte, einen Angestellten wegen schlechter Leistung zu verurteilen. Eine Verurteilung wegen Untreue setzt voraus, dass der Angestellte seinem Betrieb bewusst schaden wollte. Und genau diesen Beweis konnte die Staatsanwaltschaft nicht führen. Sengera, so ist das Gericht überzeugt, habe der WestLB nicht schaden wollen. Damit ist das Urteil vor allem eins: eine Ohrfeige für die Staatsanwaltschaft. Sie hat es auch in der Monate langen Verhandlung nicht vermocht, Beweise für ihren schweren Vorwurf zu liefern. Sie hat also Sengera vor Gericht gebracht, seinen Ruf beschädigt und ihn einer Vorverurteilung ausgesetzt, obwohl die Beweislage zu dünn war. Das war mindestens schlechte Arbeit, wenn nicht Anbiederung an den Zeitgeist, der Manager an sich für kriminell hält.
Quelle: Rheinische Post