Allg. Zeitung Mainz: Wahlen in Russland
Archivmeldung vom 01.12.2007
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 01.12.2007 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Thorsten SchmittWer beim sowjetischen Geheimdienst KGB sein Handwerk gelernt hat, wird Zeit seines Lebens nichts dem Zufall überlassen. Genau das macht Wladimir Putin seit Monaten, um sicher zu stellen, dass er bei der Parlamentswahl am Sonntag keine unliebsame Überraschung erlebt.
Seine Sorge ist jedoch unbegründet, denn von
Wladiwostok bis an die polnische Grenze gibt es niemanden, der ihm in
den Augen der meisten Russen das Wasser reichen kann. Deshalb steht
der Sieg seiner Partei "Geeintes Russland" schon jetzt fest. Sie
würde auch gewinnen, wenn Putin nicht vorher nach alter Sowjetmanier
alle Weichen in seinem Sinne gestellt hätte wie zum Beispiel die
Sieben-Prozent-Hürde, an der die meisten Mitbewerber scheitern
werden. Es ist auch völlig überflüssig, Gegner wie Garri Kasparow
immer wieder ins Gefängnis zu werfen. Die meisten Russen folgen Putin
nämlich schon deshalb, weil er in ihren Augen derzeit der Einzige
ist, der Russland wieder zu seiner alten Größe führen kann. Dazu
gehören die Muskelspiele im Streit mit den USA bei der Raketenabwehr,
dazu gehört die robuste Art und Weise, wie der Energiekonzern Gazprom
auftritt, und in das Bild passt sehr wohl auch der Einfluss, den
Russland im Nahen und Mittleren Osten zu nehmen versucht. Warum aber
wirkt Putin dennoch so wenig gelassen, warum versucht er bis zuletzt,
alles zu kontrollieren, jeden noch so kleinen Gegner mundtot zu
machen? Lauern in der neuen Nomenklatura des Kreml etwa machthungrige
Gegner, denen er mit einem Superergebnis beweisen muss, dass er alles
unter Kontrolle hat? Anzeichen dafür gibt es keine, nicht einmal
Gerüchte. Sicher ist dagegen, dass ihm eine spektakulär hohe
Wahlbeteiligung genug Legitimation verschaffen würde, die Verfassung
zu ändern, damit er auch über den März 2008 an der Macht bleiben
kann. Entweder als Präsident in einer dritten Amtszeit oder aber als
Ministerpräsident, dann aber mit massiv erweiterten Befugnissen. Man
darf also gespannt sein, was Wladimir Superstar mit seinem so
konsequent vorbereiteten Sieg anfangen wird.
Quelle: Allgemeine Zeitung Mainz