Südwest Presse: Kommentar zu Konjunktur-Report
Archivmeldung vom 08.04.2006
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDie Stimmung in der Wirtschaft ist prächtig. Das Krisengerede hat sich in Luft aufgelöst, das über Jahre hinweg wie ein Bleigewicht die wirtschaftlichen Aktivitäten in Deutschland lähmte. Seit Monaten bereits turnt das Ifo-Konjunkturbarometer in den luftigen Höhen herum, die die Republik zuletzt auf dem Höhepunkt des Vereinigungsbooms in den frühen 90er Jahren erlebt hatte.
Wer den Grund für diesen Umschwung sucht, muss sich nicht lange
mühen. Er liegt auf der Hand: der Merkel-Effekt. Bei den
strukturellen Rahmenbedingungen hat sich für die Unternehmen in
Deutschland rein gar nichts geändert und auch realwirtschaftlich
unterscheidet sich die Lage heute nicht grundlegend von derjenigen in
den letzten Monaten des Jahres 2005. Einzig die politische Bühne ist
anders besetzt. Weil die Stimmung für die Entwicklung der Konjunktur
die halbe Miete ist, hat sich die Große Koalition rein wirtschaftlich
betrachtet bereits jetzt gerechnet.
Ob Schwarz-Rot aber auch tatsächlich die deutlich
überdurchschnittliche ökonomische Dividende abwirft, die das Duo
Merkel/Müntefering derzeit annonciert, ist zumindest vorderhand noch
keineswegs ausgemacht, obwohl die konjunkturellen Aussichten für die
Bundesrepublik insgesamt gut und für den Südwesten sogar noch besser
sind. So ermittelte das Statistische Landesamt für die
baden-württembergische Industrie im Februar ein Bestellplus von 15
Prozent, im Januar waren es 14 Prozent. Die Firmen des Landes leben
dabei weiter vornehmlich vom Auslandsgeschäft, das mit Raten von um
die 20 Prozent zulegt. Die Binnenaufträge ziehen bei einem Plus von 9
Prozent zwar auch deutlich an, bleiben aber weiter klar im Schatten
des Exportbooms. Dass sich die Binnenwirtschaft nach fünfjährigem
Krebsgang endlich wieder besser entwickelt, signalisiert auch die
Bilanz der Bauaufträge für 2005. Sie war im Land erstmals seit sechs
Jahren mit einem Plus von 6 Prozent wieder positiv.
Es ist weiter vor allem die Investitionsgüterindustrie, die für
wirtschaftliche Dynamik sorgt. So starteten die Maschinenbauer
geradezu mit einem Paukenschlag ins Jahr 2006. Im Ordersprung von 25
Prozent im Januar spiegelt sich nicht nur die gute Ertragslage der
heimischen Firmen wieder, sondern auch die
Abschreibungserleichterungen, mit denen Schwarz-Rot die
Binnenkonjunktur in diesem Jahr anschieben will. Erstmals seit mehr
als einem halben Jahrzehnt wird die Maschinenbaukonjunktur vom
Inlandsgeschäft getragen, das im Januar um 25 Prozent nach oben
schoss und auch im Februar bei einem Zuwachs von 22 Prozent
unverändert boomte.
Der zündende Funke ist damit endlich vom Export auf die
Inlandskonjunktur übergesprungen. Er verbreitert die Wachstumsbasis
deutlich und beschleunigt das Wachstumstempo klar. Zu einem sich
selbst tragenden Aufschwung reicht es indes auch weiter nicht. Denn
den Konsumgüterbereich hat er noch immer nicht wirklich erreicht,
auch wenn der Einzelhandel im Januar preisbereinigt 1,7 und im
Februar 1,1 Prozent mehr umsetzte als vor Jahresfrist. So positiv
lief es zwar seit der Einführung des Euro als Bargeld Anfang 2002
nicht mehr. Doch deutlich größere Sprünge sind nicht drin. Dafür
sorgt die weiterhin bescheidene Reallohnentwicklung, die den
Arbeitnehmern in diesem Jahr - wenn überhaupt - allenfalls ein
Mini-Plus bescheren dürfte.
Quelle: Pressemitteilung Südwest Presse