Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zur Börsenkrise
Archivmeldung vom 23.08.2007
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 23.08.2007 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Thorsten SchmittEine alte Börsenweisheit sagt: »Ihr Geld ist nicht verloren, nur hat es jetzt ein anderer.« Diese Weisheit ist nicht der letzte Schluss, Geld kann durchaus besitzlos verlorengehen, zum Beispiel bei einem Börsencrash oder einer Krise wie derzeit an den Finanzmärkten.
Das ist dann der
Moment, den Kurt Tucholsky sarkastisch so beschrieb:
»Finanzwissenschaft ist, wenn die Leute sich wundern, warum sie kein
Geld haben.«
Auch Finanzexperten wie Banker wundern sich bisweilen, in diesen
Tagen waren es die Banker von der Landesbank Sachsen, und nun fragt
sich die EU, ob es mit rechten Dingen zugeht, wenn man der Sachsen LB
mehr als 17 Milliarden Euro zukommen lässt und die Spekulanten
dadurch vor der Pleite rettet. Denn die Landesbank ist in Not
geraten, weil auch sie ähnlich wie die Düsseldorfer Deutsche
Industriebank leichtfertig mit Wertpapieren handelte, deren Bonität
nicht ausreichend geprüft hatte und nun zum zweiten spektakulären
deutschen Opfer der amerikanischen Hypothekenmarkt-Krise wurde.
Kurzfristig hilft ihr die Sparkassen-Organisation mit dem
Milliarden-Kredit, aber die Bank ist noch nicht gerettet, de facto
ist sie pleite.
Es wird weitere Opfer geben. Die Krise schwelt. Sie ist die Folge
einer Konsum-Haltung, die jeder ordentliche Haushalter verabscheut:
ausschließlich auf Pump leben. Viele Amerikaner kaufen nicht nur
Häuser und Autos auf Pump, sondern sogar auch kleinere Maschinen für
den Alltag (Trockner, Wasch- und Spülmaschinen, Mixer, Kühlschränke
etc.) und selbst Lebensmittel.
Wie die kleinen Haushalte, so auch der große. Auch der Staatshaushalt
lebt auf Pump, und über den billigen Dollar zahlt das Ausland mit.
Das geht freilich nur so lange, wie man die Kredite bedienen kann.
Mit steigenden Zinsen naht deshalb das Ende dieser Lebensweise.
Die weltweit brummende Konjunktur hat die Zinsen nach oben und damit
die Konsumenten in die Enge getrieben. Das kann auch in Deutschland
passieren. Das Geschehen auf den Finanzmärkten ist der Vorbote einer
Krise, die einsetzt, sobald die Konjunktur einbricht.
Ben Bernanke, der Chef der amerikanischen Notenbank, hat diese
Ursache der Krise erkannt und die Zinsen erstmal gesenkt. Die
Europäische Zentralbank wird nachziehen müssen. Das schmälert die
Gewinne der Banken und Investoren. Aber hier greift die
Globalisierung. Nirgendwo ist absolute Sicherheit, wenn die größte
Wirtschaftsmacht der Welt krisenhaft taumelt.
Eine Wirtschaft, die nur vom Export lebt, lebt de facto vom
Geldfluss im Ausland, also auch auf Pump. Das ist Fluch und Segen,
Stärke und Schwäche der Deutschen zugleich. Nichts geht über einen
gesunden Eigen- oder Binnenkonsum. Diese Erkenntnis wird sich
durchsetzen - wenn noch genug Zeit bleibt. Deshalb werden Familien
mittelfristig von dieser Krise profitieren, über die Zinssenkungen.
Sie brauchen nur ein wenig Geduld und Ausdauer. Aber darin sind sie
ja geübt.
Quelle: Pressemitteilung Westfalen-Blatt