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Bikini vs. Burkini: Warum der Sexualität im Sport der Krieg erklärt wird

Archivmeldung vom 27.03.2018

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 27.03.2018 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Die World Surf League appelliert an TV-Kameraleute, die Hintern von Surferinnen in Bikinis nicht zu filmen. Stattdessen sollen sie sich auf fliegende Möwen fokussieren. Andernfalls könnten Menschen gekränkt und fehlender Respekt gegenüber Frauen gezeigt werden. Ein Kommentar von Eteri Tschalandsia für das Nachrichtenportal iz.ru.

Der französische Olympia-Funktionär Pierre de Coubertin ehrte im 19. Jahrhundert in seiner berühmten Ode an den Sport, dass jener Glück, Gerechtigkeit, Freude, Fruchtbarkeit und Fortschritt symbolisiere. Im Text des Barons stand nichts über Bikinis, doch er beschrieb „starke, gesunde, stattliche, muskulöse, abgehärtete“ Sportler so begeistert, als ob er in die Zukunft geblickt und die Strände des australischen Badeorts Byron Bay am Höhepunkt der Saison gesehen hätte.

Vielleicht hätte er 2018 zu seiner berühmten Aussage „Oh Sport, Du bist der Friede!“ so etwas wie „Oh Sport, Du bist der Sex!“ hinzugefügt, doch dann hätte sich wohl die World Surf League (WSL) eingemischt.

Diesmal waren es nicht die Frauen, die sich empörten. Es war das Organisationskomitee der League, das eine vorbeugende Initiative vorlegte, damit nichts Schlimmes passiert, und Kameramänner vor Einschränkungen in diesen schwierigen neuen Zeiten warnte.

Was sich wohl die Kameramänner denken, die bis zum Hals im Wasser während Live-Übertragungen sitzen, darüber schreiben die Medien bislang nicht. Die Öffentlichkeit, die an solchen Wettbewerben neben den Ergebnissen und Surfbrettern auch an schönen Blicken interessiert war, wurde traurig. Die australische Meisterin Layne Collette Beachley sagte direkt, dass dieses Verbot für Nahaufnahmen eine Verletzung der Freiheiten der Frauen sei.

Die Initiativengruppe ging einen schlauen Weg – niemand sagte direkt: „Liebe Frauen, bedeckt euch! Eure nackten Hintern lösen bei uns politisch nicht korrekte Wünsche aus!“. Surfen wurde bis vor Kurzem überhaupt nicht angetastet, es gab keinen Dresscode. Bikinis vor dem Start und es geht los. Sonne, Meer und schöne Körper – wie toll!

Doch da mischten sich die Vorkämpfer der Moral ein. Je weniger Kleidung die Sportlerin trägt, desto seltener wird sie im Bild sein im Gegensatz zu ihren eher verhüllten Kolleginnen.

Im Sport gibt es viele eigene ungeschriebene Regeln und Gesetze. Zumindest in Bezug auf das Äußere. Die Fotos von Sportlerinnen vor 100 Jahren stimmen heute sentimental. Wie konnten sie sich in solchen Anzügen überhaupt bewegen, laufen, springen, schwimmen und schießen? Zum Beispiel im Eiskunstlauf trat man einst in bodenlangen Röcken und Wollpullis und Baretten auf.

Danach wurden die Röcke kürzer, doch die Verbote galten weiter – man darf nicht in bunten Kleidungsstücken, mit Glitzersteinen, mit Halbärmeln u.a. auftreten. Letztere Verbote wirkten eher als Rufe der Verzweiflung.

Heute treten Sportlerinnen nach damaligen moralischen Gesichtspunkten beinahe wie nackt auf. Fast 100 Jahre brauchten die Frauen, um all diese bodenlangen Röcke und Schwimmanzüge loszuwerden. Hätte die Tennisspielerin Hélène Prévost, Siegerin bei den Olympischen Spielen 1900, heute auf dem Tennisplatz Serena und Venus Williams getroffen, hätte sie wohl einen Herzanfall bekommen.

Erste Leopard-Kurzhosen tauchten auf dem Tennisplatz zwar bereits 1950 auf, von der Aristokratie mit weißen Socken verabschiedete man sich de facto aber erst zu Beginn des 21. Jahrhunderts.

Tennis folgte dem Druck des vitalen Sex, viele verabschiedeten sich vom Dresscode und schlossen gewinnbringende Werbeverträge mit Top-Herstellern für Sportbekleidung. 2010 spielte Venus Williams bei den French Open in einem kurzen Kleid aus schwarzer Gipüre. Sportlerinnen hämmerten die Bälle mit so viel Geschrei über das Netz, dass das Publikum verstanden hat: In den Sport hielt die Freiheit am Rande der Anarchie Einzug.

Sportverbände erwägen derzeit auch andere Verbote. Im Juli 2017 wurde beschlossen, einen Dresscode für Golferinnen einzuführen. Sie wurden aufgerufen, auf kurze und hautenge Kleider zu verzichten. Danach verzichtete das Formel-1-Management auf die Grid Girls, weil tanzende Frauen in verführerischen Outfits nicht mehr den Werten der Marke entsprechen, wie Formel-1-Geschäftsführer Sean Bratches sagte.

Das Publikum war enttäuscht, wie auch die Rennfahrer, die natürlich viele andere Sorgen haben. Doch am meisten enttäuscht waren wohl die Grid Girls selbst, die ihren Job verloren. Man darf wohl nicht so sexy in einer Zeit sein, in der niemand anscheinend ahnt, woher das Unglück kommen kann. Deswegen ist es besser, alle umzukleiden, damit keine Vorfälle und Versuchungen aufkommen.

Da stellt sich eine interessante Frage – egal ob bei Surferinnen, Golferinnen, Eiskunstläuferinnen bzw. Frauen auf dem Roten Teppich: Was ist verboten – sich bis auf die Unterhose auszuziehen oder darauf zu reagieren?

Zunächst kämpften die Frauen seit vielen Jahrhunderten um ihre Rechte und haben die Welt gelehrt, man sollte sie ernst nehmen. Sexuelle Revolutionen erschütterten die Welt. Doch jetzt stellte sich heraus, dass es nicht ausreicht, das Recht zu bekommen, nackt auf die Straße zu gehen. Jetzt ist notwendig, dass die Männer darauf richtig reagieren.

Da kommt es zu Ungereimtheiten. Wenn ein Mann nicht in einen tiefen Ausschnitt blickt, dann ist er sogleich entweder schwul, impotent oder ein Heuchler. Wenn er begierig blickt, dann soll er die rechte Hand Weinsteins sein. Beides ist gleichermaßen aussichtslos. Eine Sackgasse-Situation provoziert zur Legitimierung von Dummheiten. Wie Agent K im Film „Men in Black“ sagte: „Der Mensch ist vernünftig. Eine Menschenmenge ist ein dummes, zur Panik neigendes Tier.“

1961 beschrieb Stanislaw Lem, polnischer Philosoph, Essayist und Science-Fiction-Autor, in seiner Antiutopie „Transfer“ eine Gesellschaft ohne Gewalt und Sexualtrieb. „Wir haben die Hölle der Leidenschaften beseitigt“, sagt einer der Protagonisten, „und dann stellte sich heraus, dass mit ihr auch das Paradies verschwand.“

Ob nun Frauen selbst ein solches Leben auf einem entzauberten Planeten begrüßen, ist ein anderes Thema. Bisher scheinen sie sich zunehmend in ihren eigenen Netzen zu verstricken. Denn viele Frauen wollen sich nicht von Bikinis und „nackten Kleidern“ trennen, da sie darin ihre zivilisatorischen Gender-Errungenschaften sehen, wollen aber auch nicht, dass jeder Müßiggänger sie als frei zugängliches Sexobjekt wahrnimmt.

Aber was tun, wenn der Otto Normalbürger bei Surf-Meisterschaften von einem halbnackten Po immer noch begeistert ist? Es bleibt nur, die gebliebenen Machtressourcen zu nutzen und entweder alles zu verbieten oder alle in Neoprenanzüge zu stecken. Sie sind doch zum Wettbewerb gekommen, oder nicht?

Moderne soziale Normen erfordern genau zu verfolgen, dass keine komplett nackte Frau auf dem Brett erscheint. Wenn es jedoch dazu kommt, sollen die Kameramänner ihre Augen verschließen und die Kameras auf etwas anderes richten.

Inzwischen gewinnt diese absurde Maschinerie an Fahrt. Sportlerinnen und TV-Moderatorinnen werden gezwungen bzw. höflich gebeten, keine offene Kleidung zu tragen, indem man auf das globale Netz, arabische Partner sowie darauf hinweist, dass die Welt nicht mehr wie früher sein wird. Einige ziehen sich um. Andere glauben nicht, dass das alles Realität ist.

Coubertin hatte wohl Recht, als er schrieb, dass der Sport das Blut in Wallung bringt. Magst du Freude, Vergnügen, Glück den Menschen bringen! Heutzutage jedoch nur noch mit Rücksicht auf „moderne soziale Normen“.

Quelle: Kommentar von Eteri Tschalandsia - Sputnik (Deutschland)

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