Westdeutsche Zeitung: Bahn zieht die Notbremse
Archivmeldung vom 03.11.2006
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDer Börsengang der Bahn wird vermutlich abgeblasen. Und das ist auch gut so. Zwar will Bahnchef Hartmut Mehdorn, im Gegensatz zu früheren Drohungen, deswegen nicht das Handtuch werfen - es wird ihm vermutlich aber von Politikern und Öffentlichkeit weggezogen werden.
Denn mit der nicht stattfindenden
Bahnprivatisierung ist auch Mehdorn gescheitert und das nicht zum
ersten Mal. Seine Vision von einem globalen Logistikkonzern kann er
jedenfalls begraben.
Die Bahn gehört - und das meinen die Kunden - zurückgeschnitten
auf das, was sie eigentlich sein sollte, aber lange nicht mehr ist:
ein Beförderungsmittel für die breite Öffentlichkeit. Dazu gehören
Pünktlichkeit, konkurrenzfähige Preise und ein gewisser Komfort, der
auch bisherige Autofahrer in die Züge treibt. Denn der
Verkehrsinfarkt in vielen Großstädten lässt nicht mehr lange auf sich
warten. Viele stehen bereits allmorgendlich im Stau - ohne eine
Alternative zu haben. Und für mittlere Verbindungen wie Düsseldorf-
Frankfurt nehmen viele Kunden heute lieber den Flieger - der startet
und landet pünktlich, ist schneller und zudem meist noch preiswerter.
Das ficht Bahnchef Mehdorn aber nicht an. Der bullige Manager mit der
dünnen Stimme will daran offenbar nichts ändern. Sobald sich wieder
einmal mehr Kunden in den Zügen drängeln, werden sie mit der nächsten
Preiserhöhung abgeschreckt.
Die Bahn ist zudem vom Steuerzahler subventioniert - knapp 200 Milliarden Euro dürften im letzten Jahrzehnt geflossen sein. Damit wurden die Verluste sozialisiert, die Gewinne beim Börsengang sollten privatisiert werden. So geht das nicht. Vom globalen Logistikkonzern hat der Kunde nichts. Der will eigentlich nur zu fahrgastfreundlichen Bedingungen durch Deutschland fahren.
Quelle: Pressemitteilung Westdeutsche Zeitung