WAZ: Der Comandante tritt ab - Die Dynastie der Gebrüder Castro
Archivmeldung vom 20.02.2008
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDer Abgang ist endgültig. Aber mit dem Verzicht Fidel Castros auf seine Ämter als kubanischer Staatschef und Oberkommandierender der Streitkräfte geht eine weltgeschichtliche Epoche zu Ende, die ihresgleichen sucht. 49 Jahre lang hat Kubas "Maximo Lider" die Geschicke der Karibikinsel, nur 90 Seemeilen von der amerikanischen Küste entfernt, bestimmt.
Ein solcher Rekord an der Spitze eines Staates ist selten, selbst in strammen Diktaturen.
Kuba war das letzte Land in Lateinamerika, das sich 1898 von der
spanischen Kolonialherrschaft löste. Und das erste, das aus dem
Hinterhof der USA ausbrach und diesen die Stirn bot. Zeit seines
Lebens war Fidel Castro ein Stachel im Fleisch der USA, seines großen
Gegners. Seit der bärtige Revolutionär 1959 im Triumphzug Havanna
eroberte, war er von Amerika fasziniert und zugleich abgestoßen. Die
Kehrtwende zum Sozialismus sowjetischer Prägung vollzog der aus einer
bürgerlichen baskischen Familie stammende Castro, als er daran ging,
dem Sturz der Diktatur Enteignungen US-amerikanischer Firmen folgen
zu lassen. Sein Widerpart in Washington, Präsident Kennedy, reagierte
mit einem Boykott Kubas. Bis heute dient das Handelsembargo dem
kubanischen Regime als Grundlage seines Weges in den Sozialismus à la
Kuba und in neue Abhängigkeiten.
Als die Sowjetunion unterging, brach Kubas wichtigste
wirtschaftliche Stütze weg. Längst ist aus der wegen ihrer sozialen
Errungenschaften vielerorts bewunderten Revolution auf der
Zuckerinsel eine hässliche Diktatur geworden - mit tausenden
politischen Häftlingen, Dissidenten und Flüchtlingen, die im Exil in
Miami Rache schworen. Tausende Hinrichtungen gehen auf das
Schuldkonto Castros, aber auch eine verkorkste Invasion in der
Schweinebucht und zahllose misslungene Castro-Attentate auf das des
US-Geheimdienstes CIA. In der Kuba-Krise 1962 hätte der Comandante en
Jefe sogar einen Atomkrieg riskiert. Doch mit dem Einlenken der
Sowjetunion wurde er zum Spielball übergeordneter weltpolitischer
Interessen der Großmächte.
Lange hielt sich in Washington der Glaube, mit Castros Abgang
werde auch das Regime zusammenbrechen. Diese Hoffnung wird sich so
schnell nicht erfüllen. Denn der Machtwechsel von Fidel zu seinem
Bruder Raúl ist lange vorbereitet und kommt nicht überraschend. Die
Dynastie der Cas-tro-Brüder garantiert einen Übergang in relativer
Stabilität. Fidel Castros längst verblichener weltrevolutionärer
Glanz kann keinen Schatten mehr auf seinen ohnehin uncharismatischen
Bruder werfen.
Quelle: Westdeutsche Allgemeine Zeitung