WAZ: Kommentar zu: RWE, der Strom und die Gewinne: Über Preise und Werte
Archivmeldung vom 19.12.2005
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 19.12.2005 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Thorsten SchmittJedes Unternehmen benötigt ordentliche Gewinne, um im Wettbewerb bestehen zu können. Je schärfer der Wettbewerb, desto höher müssen die Gewinne sein. Man muss nicht neoliberal sein, um dieser Logik folgen zu können. Doch entspricht sie auch der Situation in der deutschen Strombranche? Nur zum Teil. Denn hier heißt es: Geringer Wettbewerb, hohe Gewinne.
Ein weit verbreitetes Gefühl ist in der Mitte der politischen
Diskussion angekommen. Es lautet: Der Preis für den Strom ist nicht
fair. Die Energie-Unternehmen legen dicke Investitionsstudien vor,
schicken den Ministern aller Bundesländer umfangreiche Unterlagen,
Lobbyisten erläutern Langfristplanungen, PR-Spezialisten werben für
Verständnis angesichts steigender Rohstoffpreise und weltweit
wachsender Energie-Nachfrage. Und am Ende steht doch die Nachricht:
Der Strompreis steigt – die Gewinne auch. Basta. Ist vielleicht doch
vieles einfacher als man denkt?
Keine Frage: Neue, moderne, umweltfreundlichere Kraftwerke kosten
Geld. Auch ein wettersicherer Strommast kostet mehr als ein
Kleinwagen. Strom kommt nicht einfach aus der Steckdose. Er muss
zunächst einmal produziert, verschickt, auch verwaltet werden. All
dies kostet Geld. Energiesicherheit ist kein inhaltsleeres Stichwort.
Und natürlich muss ein Unternehmen die Kosten angemessen über die
Preise an ihre Kunden weitergeben.
Angemessen bedeutet allerdings, dass ein Ausgleich stattfinden
muss zwischen dem betriebswirtschaftlich Notwendigen und dem
volkswirtschaftlich Vertretbaren. Strom ist kein Produkt wie jedes
andere. Das Wohl tausender mittelständischer Unternehmen hängt von
ihm ebenso ab wie die Kaufkraft von Millionen Verbrauchern. Die
Politik ist also gefragt.
Die Strombranche im Allgemeinen und RWE im Besonderen haben in den
vergangenen Wochen und Monaten schlecht vermittelt, was Strom wert
ist. Es ist zudem der Eindruck entstanden, dass sich die Konzerne
mehr für den Kapitalmarkt als für die Kunden interessieren. Viel
Vertrauen wurde verspielt – zuletzt bei der Wetterkatastrophe im
Münsterland. Es brauchte Tage, bis sich RWE zu einer herzlichen Geste
durchrang. Konzernchef Harry Roels hat mittlerweile ein Interview zur
Sache gegeben, aber ist er auch in die betroffene Region gereist?
Investorentreffen dürften mittlerweile dutzende stattgefunden haben.
Wem gönnt man Erfolg, wem Gewinne? Vielleicht auch einem
Unternehmen, das sich besonders warmherzig zeigt, in der Region aktiv
ist, sich um Beschäftigte und Kunden kümmert. Immer noch sind viele
Städte an Rhein und Ruhr einflussreiche Anteilseigner von RWE. Gerade
sie sollten nicht nur ein Interesse an hohen Gewinnen für die
städtischen Haushalte haben. Ihnen muss auch wichtig sein, für welche
Werte (nicht Preise) ihr Unternehmen steht.
Quelle: Pressemitteilung Westdeutsche Allgemeine Zeitung