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Neue Westfälische, Bielefeld: Die Koalition sucht einen neuen Anfang

Archivmeldung vom 23.01.2010

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 23.01.2010 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Es ist etwas geschehen in dieser Woche. Noch ist die Wahrnehmung darüber unscharf. Aber man erkennt am Horizont Umrisse, mit denen Bundeskanzlerin Angela Merkel ihre Koalition aus der Krise nach dem Fehlstart von Schwarz-Gelb führen will. Es fängt mit dem Begriff Schwarz-Gelb an. Den soll es nicht mehr geben.

Das ist schon mal ein Ergebnis des Sechs-Augen-Gesprächs zwischen Merkel und den Chefs von CSU und FDP, Horst Seehofer und Guido Westerwelle: Man hat sich darauf verständigt, öffentlich nur noch von der christlich-liberalen Koalition zu sprechen. Wir werden weitere solche neuen Orientierungen an neuen Hochwertwörtern von Schwarz-Gelb erkennen. Es wird nicht mehr lange dauern und die Regierung wird über eine Dekade der Erneuerung philosophieren. Das ist weniger schwulstig als die geistig-politische Wende, von der Westerwelle bislang zu sprechen pflegte. Und - nicht unwichtig - der Streit zwischen den Koalitionären wird verstummen. Es ist ein vorläufiges Schweigegelübde vereinbart. All das wurde höchste Zeit. Es begannen die ersten Kritiken an Schwarz-Gelb zu grundsätzlichen Zweifeln zu wachsen. Auch an der Bundeskanzlerin selbst. Merkel geriet zusehends ins Fadenkreuz der Kritik. Der Hauptvorwurf: Die Regierungschefin führt nicht. Das ist nun vorbei. Erst einmal. Merkel führt die Koalition, und niemand um sie herum ist stark genug, ihr ins Handwerk zu pfuschen. Weder Westerwelle noch Seehofer noch die CDU-Ministerpräsidenten, die gelegentlich laut tönen, aber die Hacken zusammenschlagen, wenn ihre Chefin den Raum betritt. So weit, so gut! Wohin aber führt die Kanzlerin? Was ist das für eine Erneuerung, die sie in den nächsten zehn Jahren erreichen will? Was macht schwarz-gelb zu christlich-liberal? Haushaltskonsolidierung, also Sparen? Das wäre nicht das schlechteste Ziel für eine wertkonservative Kanzlerin. Oder Steuerentlastung? Auch kein schlechtes Ziel, wenn es nicht über Schulden und nicht für die Begünstigung von Randgruppen-Steuerzahlern wie Hoteliers angesteuert wird. Aber das alles ist noch kein Projekt. Ein Projekt wäre die Erneuerung dieses Landes in sozialer Verantwortung; eine Modernisierung der Wirtschaftspolitik, die wieder auf qualitatives statt quantitatives Wachstum setzte; eine Familienpolitik, die die Keimzelle des Staatswesens neu definiert und respektiert; eine Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik, die Ausgrenzung beendet und die Chance auf ein sinnvolles und lebenswertes Leben eröffnet; eine Umweltpolitik, die nicht auf Atomrisiko, sondern auf kreative Intelligenz setzt. Das alles und noch viel mehr könnte zu einem Projekt reifen. Ein Projekt, das vielleicht das Unterste nach oben schwemmt - und umgekehrt. Ein Projekt, das Opfer, Verzicht, aber auch Zukunft bedeuten könnte. Die Kanzlerin will eine Dekade der Erneuerung. Sie beginnt zu regieren. Man wüsste nur gern, was das für jeden Einzelnen von uns bedeutet. Vor der Wahl in NRW.

Quelle:  Neue Westfälische

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