WAZ: Proteste gegen BenQ: Vertrauen wird zerstört
Archivmeldung vom 30.09.2006
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittWenn ein Mann wie Jürgen Rüttgers, der sich öffentlich stets höflich gibt, mit Schimpfworten um sich wirft ("Das ist eine Sauerei"), dann ist dies Ausdruck einer tiefen Wut, die sich vor allem aus der Hilflosigkeit eines Spitzenpolitikers speist.
Nationale Politik steht nach dem Ende der Deutschland AG in
Zeiten einer entfesselten Globalisierung machtlos da. Moralische
Appelle verhallen, wenn über Schicksale deutscher Arbeitnehmer
zehntausend Kilometer entfernt ein Manager in Asien entscheidet, für
den NRW irgendein Fleck auf der Landkarte ist.
Politiker sehen sich zunehmend in die Rolle von Reparaturgehilfen
gedrängt, die die Sozialschäden einer Wirtschaft beheben sollen, die
immer kurzfristiger - auf Maximal-Rendite getrimmt - agiert.
Wie seit anderthalb Jahren bei Siemens mit Klaus Kleinfeld hat in
Deutschlands Konzernen ein Managertypus die Oberhand gewonnen, der
sein Unternehmen wie ein oberster Aktienfonds-Händler führt. Verkauft
wird, was das Rendite-Ziel aktuell nicht erfüllt. Es wird sich noch
nicht einmal mehr bemüht, eine Sparte zu sanieren - wie früher etwa
die Siemens-Medizintechnik, die nun zu den Gelddruckmaschinen zählt.
Sämtliche anderen Faktoren eines bewiesenermaßen langfristig
erfolgreichen Wirtschaftens, die Mischung aus Zufriedenheit von
Kunden, Beschäftigten und Aktionären gepaart mit Investitionen in
Innovationen, fallen unter den Tisch. Solch ein Simpel-Management mit
dem Ausverkauf deutscher Zukunftstechniken bedeutet im weltweiten
Wettbewerb auch dann noch Gefahr für Deutschland, wenn dieser
Manager-Typ längst abgewirtschaftet hat.
Man wird den Verdacht nicht los, dass Kleinfeld die Handy-Sparte
nur deshalb an BenQ verschenkt hat, damit dieser Konzern die
Drecksarbeit erledigt. Die Deutschen hätten nicht so einfach 3000
Jobs streichen können. Ohnehin hat Kleinfeld jetzt schon genug
Probleme zu erklären, warum er 30 Prozent mehr Gehalt haben will -
und das bei einem schwachen Siemens-Kurs.
Gerade im Fall Siemens haben Arbeitnehmer, Gewerkschaften und
Politik alle neoliberalen Lehrbuchweisheiten beherzigt: Lohn gesenkt,
länger gearbeitet, Steuern verringert, billigen Beschäftigungsabbau
ermöglicht. Es hat alles nichts genutzt. Dabei zeigen Nokia und
Motorola, dass sich eine Handy-Produktion in Deutschland lohnt.
Was Manager wie Kleinfeld unterschätzen: Es geht nicht nur um ihr Unternehmen. Ihr Verhalten zerstört das Vertrauen der Menschen in die Marktwirtschaft und letztlich in die Demokratie. Solche Manager gefährden die Basis unserer Gesellschaft.
Quelle: Pressemitteilung Westdeutsche Allgemeine Zeitung