Börsen-Zeitung: VW verfehlt das Ziel
Archivmeldung vom 30.09.2006
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 30.09.2006 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Thorsten SchmittWenn es für Schönreden einen Preis gäbe, gehörte VW ganz gewiss zu den aussichtsreichsten Nominierten: Was der Konzern als "Rückkehr zu normalen Arbeitszeiten" etikettiert, ist allenfalls eine Zwischenetappe.
Der vereinbarte Wochenarbeitszeitkorridor von
"25 bis 33 Stunden" kann genauso gut auch als Einstieg in die
Dreitagewoche bewertet werden: Und 25 Stunden Wochenarbeitszeit bei
gleichem Entgelt bedeutet eine Steigerung von 13,2%.
Aber etwas Flexibilität nach oben war offensichtlich nicht ohne
Flexibilität nach unten zu bekommen. Richtig, ohne Lohnausgleich
können künftig eben auch bis zu 33 Stunden gearbeitet werden. Die
Wettbewerber arbeiten samt und sonders zwar 35 Stunden. Aber
immerhin.
Das rechnerische Kostendelta von rund 6% ist natürlich um Klassen
besser als der zuvor bei 20% liegende Kostennachteil zum Flächentarif
in der Metallindustrie. Ob sich der Kostenabstand aber überhaupt so
weit verkürzt, ist wegen der Bewertung der zahlreichen
Nebenabsprachen schwierig zu durchschauen. Wohl nicht ohne Absicht.
Durch das Verhandlungsergebnis verändert sich die Kostensituation
in den sechs westdeutschen Werken zunächst um keinen Deut. Es fehlt
der schwierigere Teil zwei. Gerechnet auf die künftig mögliche
33-Stunden-Woche haben sich die Arbeitskapazitäten um rund 15%
erhöht. Zwangsläufig hat sich damit das Problem der Unterauslastung
der westdeutschen Produktion gravierend verschärft. Der personelle
Überhang erhöht sich parallel zu längeren Arbeitszeiten.
Die Mechanik ist unerbittlich: Statt 20000 Mitarbeitern bei einer
Wochenarbeitszeit von 28,8 Stunden hat VW bei 33 Stunden jetzt über
23000 Mitarbeiter in Westdeutschland zu viel an Bord. Jetzt kommt's:
Ohne dass dieses Volumen auch abgebaut wird, werden Effizienzvorteile
nicht wirksam.
Vor dieser Konsequenz duckt sich Volkswagen natürlich weg. Und -
weil VW nur ein teilprivatisiertes Unternehmen ist, darf man davon
ausgehen, dass das Management in seinem Weiterlavieren durch die
Landesregierung noch unterstützt wird. Denn die will ja 2008
wiedergewählt werden.
In diesem Umfeld sind entsprechend nur kleinere Restrukturierungen zu erwarten. Ein bisschen zupfen hier, etwas schneiden da - und irgendwann endet diese Geschichte wie bei General Motors. (Börsen-Zeitung, 30.9.2006)
Quelle: Pressemitteilung Börsen-Zeitung