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Börsen-Zeitung: Strategisch im Niemandsland

Archivmeldung vom 23.12.2006

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 23.12.2006 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Bescherung! Anderthalb Jahre nachdem KarstadtQuelle-Chef Thomas Middelhoff erstmals über den Erwerb der Mehrheit an dem mit der deutschen Lufthansa paritätisch geführten Reisekonzern Thomas Cook philosophierte, haben die beiden Gesellschafter endlich eine Lösung gefunden, den gemeinsamen Leidensweg zu beenden.

Thomas Cook wird künftig komplett unter das Dach von KarstadtQuelle schlüpfen. Die Charterairline Condor dürfte mittelfristig verkauft werden.

Den Reisespaß lässt sich Middelhoff eine nette Stange Geld kosten. Die Rede ist von 800 Mill. Euro. Für einen Konzern, der vor zwei Jahren noch hart an der Insolvenz entlangschrammte, ist das kein Pappenstiel. Sicher, die Ausgliederung der Warenhausimmobilien hat einen saftigen außerordentlichen Ertrag beschert. Doch statt die frei gewordenen Mittel in die kostspielige Sanierung der beiden keineswegs prosperierenden Geschäftsfelder Warenhaus und Versandhandel zu stecken, um ihnen eine dauerhafte Zukunft unter dem KarstadtQuelle-Dach zu sichern, begeben sich die Essener lieber selbst auf Einkaufstour in fremden Gefilden. Auch Wolfgang Urban, der Vorvorgänger von Middelhoff, verschloss die Augen über Jahre vor der operativen Wirklichkeit und hinterließ letztlich einen Scherbenhaufen in der Bilanz.

Das Aufkehren übernahm Middelhoff zusammen mit dem nun scheidenden Finanzvorstand Harald Pinger. Zwar kehrt Pinger dem Handelskonzern aus freien Stücken den Rücken, doch wollen die Stimmen nicht verstummen, die das Ausscheiden des Finanzchefs mit einem erneuten Zuspitzen der finanziellen Lage des Konzerns in Verbindung bringen. Der Blick in die Bilanz zum 30. September bestätigt diese Mutmaßung jedoch nicht.

Dennoch hinterlässt der bevorstehende Abgang des Finanzchefs einen faden Beigeschmack. Meinungsverschiedenheiten über die künftige Ausrichtung und Aufstellung des Konzerns werden in Essen zwar negiert, doch zeigt der strategische Schlingerkurs im Versandhandel, dass der Vorstand zumindest für den Distanzhandel bis heute kein passendes Rezept zur operativen Sanierung gefunden hat.

Nach den 2005 von Pinger durchgezogenen Feuerwehrmaßnahmen versuchte sich seit Anfang dieses Jahres der frisch gekürte Versandhandelsvorstand Marc Sommer an der Sanierung der inzwischen größten Sparte des Konzerns. Im August stand fest: Die Sanierung wird sich um bis zu zwei Jahre verzögern und erheblich teurer als bislang budgetiert. Nur drei Monate später wird jedoch auch dieser Masterplan über den Haufen geworfen. Unter dem Dach von KarstadtQuelle ist künftig kein Platz mehr für zwei der drei größten deutschen Universalversender. Neckermann.de soll verkauft werden, am liebsten über die Börse.

Die hinter dem Verkauf stehende Logistikmaschinerie (Service Group), deren Effizienz mitentscheidend ist für Erfolg oder Misserfolg eines Versandhändlers, soll ebenfalls ausgelagert werden. Vorgeschaltet ist dem natürlich die Aufspaltung der Service Group, in der Pinger die dem Versandhandel nachgelagerten Aktivitäten aller Versender gebündelt hatte. Die hinter diesem Strategieschwenk steckende Logik ist einleuchtend und erschreckend zugleich. Sie offenbart, dass die Service Group im Verständnis des Vorstands als reiner Kostenblock gesehen wird. Ähnlich wie im stationären Einzelhandel geht es KarstadtQuelle zunächst nur darum, diese Fixkosten zu flexibilisieren. Das macht das schrumpfende Umsatzniveau erträglicher und erlaubt eben auch den Verkauf von Neckermann.de.

Mit dem Verkauf von Neckermann.de entledigt sich der Essener Handelskonzern allerdings auch der Internet-Plattform, über die der Online-Reisevertrieb ursprünglich angetrieben werden sollte, sobald sich der Reisekonzern Thomas Cook vollständig im Besitz von KarstadtQuelle befindet. Man kann sich nur schwer des Eindrucks erwehren, dass der KarstadtQuelle-Vorstand seine Strategie wechselt wie andere das Hemd. So stellte Middelhoff mit der Veröffentlichung der Verkaufspläne für Neckermann.de auch prompt auf die Bedeutung der stationären Vertriebsstellen im Reisegeschäft ab. Zuvor hatte er das Hohe Lied auf den Online-Vertrieb gesungen.

Inklusive der abzugebenden Spezialversender und der westeuropäischen Geschäfte von Quelle entledigt sich die Versandsparte freiwillig eines Umsatzvolumens von 1,6 Mrd. Euro. Die Gefahr, die für die Konditionen im Einkauf wichtige kritische Masse zu verlieren, wächst beständig. Das alles scheint Dealmaker Middelhoff jedoch nicht zu schrecken. Mit Thomas Cook verleibt er sich ja einen neuen Konzern ein, den er zerlegen und in Einzelteilen verkaufen kann. Strategisch liegt er damit sogar im Trend, denn das Modell der integrierten Reisekonzerne, die vom Veranstalter mit eigenen Hotelbetten bis hin zu den Sitzplätzen im Flugzeug alles besitzen, hat ausgedient. Das Private-Equity-Modell KarstadtQuelle hat im Vergleich zu anderen Finanzinvestoren jedoch einen entscheidenden Nachteil: Auf die Finanzierung der Käufe mit "billigem" Fremdkapital muss in Essen verzichtet werden.

Quelle: Pressemitteilung Börsen-Zeitung

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