Teure Symbolnummer
Archivmeldung vom 24.11.2020
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Freigeschaltet durch André OttDas System der kapitalgedeckten Altersvorsorge und Wohlstandssicherung ist von Land zu Land verschieden, doch eines haben viele Modelle dem deutschen voraus: Sie lassen eine hohe Aktienquote zu. Ob 401k-Sparpläne in den USA, der AP7-Fonds im schwedischen Rentensystem oder der Ölfonds in Norwegen - in allen Fällen haben die politisch Verantwortlichen erkannt, dass Wohlstandssicherung ein gewisses Maß an Kapitalmarktrisiken mit sich bringen darf, um auf lange Sicht das Vermögen der Bürger zu mehren.
Deutschland aber hat die Entwicklung noch nicht abgeschlossen, die im Niedrigzinsumfeld überfällig ist: Die Garantie in der kapitalgedeckten Altersvorsorge muss gelockert werden. Der Chor derjenigen, die von einer Garantie Abstand nehmen, ist vielstimmig: Ökonomen wie jene vom Safe-Institut, die zum Wochenauftakt einen Vorschlag für eine Reform der Riester-Rente vorgelegt haben, würde wohl jeder in der Riege der Garantie-Kritiker vermuten, ebenso auch die Fondsbranche, die ja ohnehin ein Faible für Kapitalmärkte hat.
Vor einem Jahr haben sich Versicherer, Bausparanbieter und Fondshäuser zusammengetan, um in einem Fünf-Punkte-Plan zur Riester-Rente unter anderem eine Lockerung der Garantie zu fordern. Das ist beachtlich, denn diese Branchen konkurrieren im Riester-System um Kunden. Die Verbraucherzentralen, die mit der "Extra-Rente" ein öffentlich organisiertes Standardprodukt fordern, nehmen ebenfalls Abstand von der Garantie und haben in einer Studie vorrechnen lassen, dass sich in der Mehrzahl der Szenarien eine hohe Aktienquote für die Anleger auszahlen würde. Zu den Nachzüglern zählen die Tarifpartner, die nach der Reform der betrieblichen Altersvorsorge zu selten von einer vollständigen Garantie Abstand nehmen.
Und auch die Politik muss noch darlegen, wie ein Abschied von starren Garantien aussehen könnte - das gilt für die Große Koalition, die eine Reform der Riester-Rente in Aussicht gestellt hat, aber auch für etwaige künftige Bündnisse wie aus Union und Grünen, die womöglich eine neue Standardlösung in der Altersvorsorge anstreben würden.
Natürlich ist es möglich, dass eine aktienorientierte Anlage auch auf längere Sicht zu Verlusten führt. Wahrscheinlicher aber ist, dass im Laufe der Jahrzehnte zusätzliches Geldvermögen gar nicht erst aufgebaut wird, weil die Garantie einem hohen Aktienanteil im Weg steht. Die Safe-Ökonomen sprechen von einer "psychologischen Bedeutung", die das Versprechen der nominalen Null hat. Diese Symbolnummer ist teuer erkauft.
Quelle: Börsen-Zeitung (ots) von Jan Schrader