Rheinische Post: Prozesse in Englisch
Archivmeldung vom 16.01.2010
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittBei allem, was Recht ist: Das rheinische Modell, nach dem deutsche Gerichte jetzt auch auf Englisch verhandeln dürfen, steht auf allzu simpler Grundlage. Der Hinweis, der "Gerichtsstandort Deutschland" sei in Gefahr, da lukrative internationale Wirtschaftsprozesse zunehmend in Englisch geführt werden, mag in Zeiten knapper Kassen zwar als probates Argument durchgehen.
Mehr aber nicht. Wie dürftig sind solche Verweise angesichts unserer Tradition der "Rechtsprechung". Die Initiative des nordrhein-westfälischen Justizministeriums ist das Zeugnis eines forschen Globalisierungsdenkens, das eins in den Hintergrund stellt: Rechtsgeschichte ist stets auch Geistesgeschichte eines Landes. Das Recht lebt von der Sprache, weil sie mehr ist als nur eine Art Benutzeroberfläche, die wir bespielen. Sprache ist der Motor unseres Denkens; es funktioniert nie unabhängig vom Sprechen. Die Vielfalt unserer Rechtsordnungen hat sich entwickelt und geformt auch aus der Vielfalt unserer Sprachen. Das strategisch so plausibel erscheinende Modell kann daher auf lange Sicht nicht ohne Wirkung auf die Inhalte bleiben. Aber "Recht muss doch Recht bleiben". Solche Wahrheit steht übrigens in keinem Wirtschaftslexikon; sie findet sich in Psalm 94.
Quelle: Rheinische Post