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Börsen-Zeitung: Conti im Abwehr-Modus

Archivmeldung vom 17.07.2008

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 17.07.2008 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Continental hat nach dem lautlosen Heranpirschen der Schaeffler-Gruppe gestern laut "Foul" gerufen. Es ist eine völlig ungewohnte passive Rolle für ein proaktives Management, das unternehmerisches Handeln auf allen Ebenen lebt. Viel lieber wäre man in der aktiven Position. Abwehr ist etwas für Verlierer. Aber man will auch nicht als moralischer Sieger vom Platz gehen.

Um was es geht, blitzt in einer Einschätzung des Betriebsrats auf, der Conti-Chef Manfred Wennemer einmal vorgeworfen hatte: "Der ist doch selbst eine Heuschrecke." Schaeffler hat schnell und entschlossen gehandelt, und zwar punktgenau, als Conti wegen der Mammut-Integration von Siemens VDO die Hosen unten hat und nur eingeschränkt bewegungsfähig ist. Conti hätte es auch nicht entscheidend anders gemacht.

Es gehört zu den unerklärlichen Mysterien des Kapitalmarkts, dass Continental ein halbes Jahr nach einer 11,4 Mrd. Euro schweren VDO-Übernahme am 17. März gerade noch mit mickrigen 8,4 Mrd. Euro bewertet wurde. Das entsprach deklassierenden 51,89 Euro je Aktie. Ein Abschlag von 26% auf den VDO-Kaufpreis, und obendrein gab es den Conti-Altkonzern noch dazu. Ein gigantischer Wertverfall. Dabei war Ende Oktober 2007 noch eine Kapitalerhöhung zu 101 Euro über die Bühne gegangen und bei institutionellen Anlegern platziert worden. Die haben ihre Aktien wohl angesichts des nachfolgenden Kursverfalls verliehen und veroptioniert.

Also vollstes Verständnis dafür, dass Schaeffler große Augen bekam. Dort sind offensichtlich gute Kaufleute am Werk. Chance gesehen, Chance genutzt, Chance vor allem nicht zerredet. Der Vorstoß hat aber eine zweite Ebene, die es deutlich auseinanderzuhalten gilt. Sich an einem Blue Chip zu beteiligen, wenn es diesen monatelang zu Discountpreisen gibt, ist das eine. Aber es geht um das Wie. Und da wird es heimtückisch.

Wie schleiche ich mich an ein Unternehmen an, ohne dass es jemand mitkriegt? Dass sich damit ganze Heerscharen hochqualifizierter Juristen in den Kanzleien beschäftigen, ist klar. Es ist einfach eine intellektuelle Herausforderung, einen Dreh zu finden, wie es theoretisch möglich wäre. Es dann auch umzusetzen - wasserdicht und justiziabel - ist eine ganz andere Frage. Und dann gilt es noch einen Auftraggeber zu finden, der für die Probe aufs Exempel seinen Ruf riskiert.

Bei Porsche hat es einmal funktioniert, warum nicht auch ein zweites Mal? Die Vorgänge sind aber nicht vollkommen vergleichbar. Porsches Vorgehen wird zu Recht als schleichende Übernahme etikettiert. An einem Sonntag im Oktober 2005 hatte Porsche eine angestrebte Beteiligung von 20% bei VW gemeldet, als konkret erst eine Beteiligung von 10,4% aufgebaut worden war.

Das Vorgehen von Schaeffler hat eine völlig andere Qualität. Da enttarnt sich Knall auf Fall ein neuer Großaktionär mit gleich 36%. Nach einer Under-cover-Aktion, bei der sich reihenweise Banken konzertiert mit nicht meldepflichtigen Paketen von 2,99% eindeckten, meldet sich Schaeffler gleich mit einer Kontrollerlangung und einem Übernahmeangebot zu Wort.

Das ist eine neue Form von Überrumpelungstaktik. Wie soll ein Management mit intakter Selbstachtung auf einen solchen Handstreich reagieren? Sollen sie mit einem Messer an der Gurgel noch Hurra schreien? Ohne das derzeit tätige Spitzenmanagement wäre Conti wirklich nur die Hälfte wert.

Der Hinweis darauf, dass die Kapitalmärkte nun mal so funktionieren, wie sie funktionieren, hilft nicht weiter. Es gibt Spielregeln. Wer absichtsvoll als Regelverletzer auftritt, trickreich oder nicht, stellt sich selbst ins Abseits. Schaeffler wird immer zugutegehalten, dass 2001 bereits erfolgreich die Übernahme von FAG Kugelfischer feindlich durchgezogen wurde. Conti bringt aber ein zwanzigmal so großes Volumen auf die Waagschale. Hoffentlich reiht sich hier ein privat geführtes Unternehmen nicht unter die Finanzhasadeure ein.

Conti spricht einem irgendwie geartetenZusammengehen schlichtweg die industrielle Logik ab. Dies könnte eine etwas verärgerte vorschnelle Reaktion sein, denn bei Familienkonzernen stellt sich über kurz oder lang immer die Generationenfrage und die nach der Zukunft. Eine Sacheinbringung der Schaeffler KG bei Conti wäre durchaus vorstellbar, allerdings erst nach einer Abkühlungsphase.

Conti bringt es zu Recht in Harnisch, dass die eigenen Hausbanken gegen das Unternehmen konspiriert haben. Ein Vertrauensbruch der schlimmsten Art. Dies wird sehr aufmerksam registriert werden. Einige Banken schätzen offensichtlich eine Einmalprovision höher ein als eine laufende Kreditbeziehung. Hier manifestiert sich erneut das grassierende Kurzfristdenken. Andere Unternehmen wären gut beraten, die Banken aus der Anti-Conti-Fraktion auf eine Watch List zu setzen.

Das ist aber derzeit nicht das drängendste Problem bei Conti. Ihr hilft nur ein rasanter Kursanstieg auf 80 Euro und besser. Danach sah es zuletzt aber gar nicht aus.

Quelle: Börsen-Zeitung (von Gottfried Mehner)

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