WAZ: Es geht nicht ohne Dialog
Archivmeldung vom 10.05.2010
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 10.05.2010 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Thorsten SchmittWelche Bilder des letzten Bundesliga-Spieltags werden haften bleiben? Die von Bayerns Meistertrainer Louis van Gaal? Der sich trotz des beträchtlichen Alters- und Gewichtsunterschiedes gar nicht so ungeschickt angestellt hat bei seinem Versuch, sich der Weißbier-Dusche seiner Spieler zu entziehen?
Oder die von Hannovers Keeper Florian Fromlowitz, der nach dem Klassenerhalt in Bochum Rotz und Wasser heulte und damit noch einmal Robert Enke ins öffentliche Bewusstsein zurückholte? Oder die anderen Bilder aus Bochum? Oder Düsseldorf. Oder Bremen. Hässlichen Krawallbilder allesamt.
Da ist, quer durchs Land, eine Entwicklung in Gang gekommen, die keinem gefallen kann. Nach wie vor ist der Besuch eines Bundesligaspiels für die Masse der Fans ein sicheres Vergnügen. Aber die Warnsignale häufen sich. Muss man erwähnen, dass es angesichts fliegender Steine, explodierender Feuerwerkskörper und organisierter Versuche, eine Geschäftsstelle zu stürmen, ohne Sanktionen nicht gehen kann?
Aber Sanktionen werden die Ursachen der Gewalt nicht beheben. Sie sind so vielschichtig, dass ihnen mit reflexhaften Rufen nach längeren Stadionverboten oder gar Nacktscannern nicht beizukommen ist: Fußball ist das Massenereignis in Deutschland. Zwangsläufig wird er deshalb immer wieder als Bühne missbraucht werden, um Konflikte auszutragen, die soziale Ursachen haben. Auch der Fußball selbst ist nicht frei von Fehlern: Fankultur wird, von den Vereinen durchaus gewollt, viel intensiver inszeniert als früher, deshalb schlagen Stimmungen auch leichter um, wenn es nicht läuft, wie erhofft.
Es ist, den Bildern zum Trotz, früh genug, um gegenzusteuern. Was es braucht, ist vor allem ein Mehr an Prävention. Die meisten der 42 bundesweiten Fanprojekte sind angesichts ihrer Bedeutung grotesk unterfinanziert, sie müssen mit einem Bruchteil dessen auskommen, was Vereine allein in ihr Marketing stecken. Es wird nicht ohne Dialog gehen. Mit den Fans. Und unter den Fans, deren überwältigende Mehrheit Gewalt ablehnt. Kann es einen besseren Verbündeten geben, als die Solidarität der Kurve, Gewalt aus den eigenen Reihen nicht zu tolerieren?
Quelle: Westdeutsche Allgemeine Zeitung