Die Leipziger Volkszeitung zur Koalition
Archivmeldung vom 06.11.2007
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 06.11.2007 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Thorsten SchmittNach turbulenten Wochen macht die Bundesregierung einen ernsthaften Versuch, ins routinemäßige Hamsterrad des perspektivlosen Dahinregierens zurückzukehren. Nachdem sie noch vor einer guten Woche auf ihrem Hamburger Linkswanderungsparteitag verbal - und ohne maßgebliche Gegenwehr befürchten zu müssen - über den unions-christlichen Koalitionspartner hergefallen waren, üben sich besonders die demokratischen Sozialisten der SPD in handzahmer Freundlichkeit und Treueschwüren zur beiderseitig ungeliebten Koalition.
Deren Halbwertzeit und
Glaubwürdigkeit jedoch keinesfalls überschätzt werden darf. Und so
brachte der mit Spannung erwartete Koalitionsausschuss nur den
Kollaps von Ideen, nicht aber den Kollaps der Regierung. Und die
gequälte Versicherung der Vertreter aller drei beteiligten Parteien,
man wolle bis zu den Wahlen 2009 gemeinsam durchhalten.
Weiterwursteln im unendlichen Raum der Koalitionsleere wäre
allerdings die bessere Formulierung. Denn weder die Klausur von
Meseberg im Sommer noch der Koalitionsausschuss brachten einen
Neustart der Regierung, die ihn wegen ihrer inneren Zerrissenheit
auch in den nächsten Krisentreffen nicht hinbekommen wird. Jeder Sieg
der einen Seite ist automatisch ein inhaltliches Waterloo für die
andere. Das ist das unüberwindbare Berliner Regierungsdilemma.
Seit dem Hamburger SPD-Parteitag ist der letzte Spielraum für
sinnvolle Koalitions-Kompromisse verloren gegangen. Der
SPD-Vorsitzende Beck hat durch seine Abkehr vom wirtschaftlichen
Reformkurs den Links-Chef Lafontaine quasi zum
Aufsichtsratsvorsitzenden der SPD gemacht, der über den Kurs seiner
ehemaligen Partei mitentscheidet. Keine Partei bestimmt die deutsche
Sozial- und Wirtschaftspolitik derzeit so sehr wie die populistische
Linke. Selbst in der Union scheut man inzwischen standortfreundliche
Entscheidungen, die als Bumerang sinkender Wählergunst zurückkommen
könnten. Das hat niederschmetternde Folgen für die Seriosität der
Regierungsarbeit.
Die Koalition steht unter dem Eindruck, sie habe keine andere Chance,
als sich durch Debatten über eigentlich nebensächliche Themen wie das
überflüssige Tempolimit auf Autobahnen, das sinnlose Verteidigen oder
ersatzlose Beerdigen von organisiertem Murks - wie der angepeilten
Gesundheitsreform und der versemmelten Bahnprivatisierung - oder als
Verteiler von Wohltaten über die Runden retten zu können. Deswegen
wird über ALG I, Pendlerpauschale, Betreuungsgeld oder Mindestlöhne
gestritten, anstatt Bürokratie abzubauen, die Eigenverantwortung der
Bürger zu stärken, Steuererklärungen einfacher sowie den Arbeitsmarkt
dynamischer und flexibler zu machen. Bei ihrem Amtsantritt erhob
Kanzlerin Merkel den Anspruch, Deutschland wieder an die Spitze der
Erfolgs-Statistiken Europas zu führen. Mit dieser Koalition wird ihr
das dauerhaft nicht gelingen.
Quelle: Pressemitteilung Leipziger Volkszeitung