Westdeutsche Zeitung: Großreinemachen bei Siemens geht weiter
Archivmeldung vom 25.04.2007
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittSoviel vorweg: Entschieden ist bei Siemens überKlaus Kleinfeld noch nichts. Aber in der Gerüchteküche brodelt es bereits, dass nach dem Rücktritt von Aufsichtsratschef Heinrich von Pierer der Kelch jetzt an seinen Ziehsohn weitergeht. Heute sollte eigentlich der Vertrag des Siemens-Chefs, der Ende September ausläuft, verlängert werden.
Im Vorfeld war bereits spekuliert
worden, dass er eine modifizierte Abfindungsklausel enthalten soll.
Falls sich herausstellen sollte, dass Kleinfeld doch um die Affären
wusste, sollte bei Kündigung oder Rücktritt nicht noch eine
Millionen-Abfindung fällig werden.
Das ist offenbar Schnee von gestern. Gerhard Cromme wird ab heute das
Zepter als oberster Siemens-Kontrolleur in die Hände bekommen. Als
Wächter für Corporate Governance in Deutschland, also Vorkämpfer für
transparente Unternehmensführung, will er erst Großreinemachen und
die Affären aufklären. Dafür muss er auch prüfen, ob Kleinfeld -
bevor der Vertrag verlängert wird - wirklich eine saubere Weste hat.
Cromme hat sich deshalb dem Vernehmen nach mit
Präsidialausschuss-Mitglied Josef Ackermann (Deutsche-Bank-Chef) und
anderen Mitgliedern kurzgeschlossen. Vorsorglich werden mögliche
Nachfolger von Kleinfeld gesucht. Der erste und angebliche
Wunschkandidat, Linde-Chef Wolfgang Reitzle, hat aber bereits
öffentlich absagen lassen. "Gehen Sie davon aus, dass er Linde-Chef
bleiben wird", so ein Sprecher.
Als Jobkiller für Kleinfeld könnte sich auch die mächtige
US-Börsenaufsicht SEC erweisen, die im Gegensatz zur deutschen
Finanzaufsicht bei Schmiergeldern nicht lange fackelt und drastische
Sanktionen verhängt. Eventuell hat der Konzern auch davor Angst und
versucht deswegen die Trennung von Kleinfeld zu inszenieren. Denn
spätestens seit gestern muss sich der Siemens-Chef, der glaubte mit
dem Abgang von Pierer endlich freie Fahrt zu haben, brüskiert
vorkommen. Eine öffentlich bekannt gewordene Suche nach einem
Nachfolger ist normalerweise der Anfang vom Ende. Es sei denn, der
Betroffene wartet erst noch die schriftliche Stellen-Annonce in der
Zeitung ab. Auch eine Verschiebung der Vertragsverlängerung würde
Kleinfeld bloßstellen. Vielleicht wirft er ja von sich aus die
Brocken hin - impulsiv genug dafür ist der Siemens-Chef ja.
Quelle: Pressemitteilung WESTDEUTSCHE ZEITUNG