Börsen-Zeitung: Zweifelhafter Neubeginn, Kommentar zu Audi
Archivmeldung vom 29.08.2017
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Freigeschaltet durch André OttFast zwei Jahre nach der aufgedeckten Affäre um manipulierte Dieselabgaswerte hat es Audi immer noch nicht geschafft, sich zu einem überzeugenden Neuanfang durchzuringen. Statt eines radikalen Umbaus der Konzernspitze verständigten sich die Kapitalseite und die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat der Volkswagen-Tochter auf eine kleine Lösung:
Das Kontrollgremium unter Leitung von VW-Chef Matthias Müller tauscht vier der insgesamt sieben Vorstände mit Managern aus den eigenen Reihen vorzeitig aus. Der umstrittene CEO Rupert Stadler darf bleiben.
Mit Thomas Sigi (Personal), Axel Strotbek (Finanzen), Dietmar Voggenreiter (Vertrieb) und Hubert Waltl (Produktion) gehen altgediente Audi-Manager, gegen die bislang nichts Belastendes in der Dieselaffäre vorliegt. Die Familien Porsche und Piëch wechselten die vier deshalb aus, weil die beiden Clans ihnen nicht mehr zutrauen, die technologische Fortentwicklung des Konzerns in Richtung Elektromobilität und autonomes Fahren zu bewerkstelligen. Zweifellos machten die selbstverschuldeten Rückschläge im Wettstreit mit BMW und Daimler um die Vorherrschaft im Pkw-Premiumsegment eine Umbesetzung von Schlüsselpositionen zwingend erforderlich. Doch eine Wende ausgerechnet mit jenem CEO zu wagen, der angesichts des Dieselbetrugs selbst bei Audi nicht mehr als unangefochtene Führungsfigur gilt, ist ein fataler Fehler.
Die Porsches und die Piëchs halten geradezu unbeeindruckt an Stadler fest, obwohl dieser in der Aufklärungsarbeit über die Machenschaften eine schlecht Figur abgab und sich selbst mit Anschuldigungen, viel früher von der Manipulationen gewusst zu haben als behauptet, herumschlagen muss. Mit einer solchen Lame Duck ist ein wirklicher Neubeginn kaum mehr möglich.
Doch so lange die alten Seilschaften im VW-Reich immer noch funktionieren, wird sich Stadler an der Spitze von Audi halten können, wie zuletzt seine erfolgte Vertragsverlängerung veranschaulichte. In diesem Zusammenhang lässt die Ernennung von Wendelin Göbel aufhorchen. Ausgerechnet einer der engsten Vertrauten des früheren VW-Chefs Martin Winterkorn, der Ende September 2015 über Dieselgate stolperte, wird nun neuer Audi-Personalvorstand. Das dürfte nicht für Ruhe in Ingolstadt sorgen.
Sollte Müller derweil für den angezählten Audi-CEO doch noch einen Nachfolger finden, hätte das weitere Personalrochaden bei der VW-Tochter zur Folge. Das einstige Vorzeigeunternehmen bleibt eine Baustelle.
Quelle: Börsen-Zeitung (ots) von Stefan Kroneck