Börsen-Zeitung: US-Geldpolitik birgt Risiken
Archivmeldung vom 30.04.2011
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittMit immer mehr Nachdruck fordern die mit hohen Inflationsraten kämpfenden Schwellenländer die Industrienationen, allen voran die USA, auf, endlich ihre ultralockere Geldpolitik zu beenden. Sie werden sich noch eine Weile gedulden müssen, denn die amerikanische Zentralbank hat sich auch in der jüngsten Sitzung des Offenmarktausschusses nicht dazu durchgerungen, die längst überfällige Normalisierung zu signalisieren, geschweige denn einzuleiten.
Zwar wird das Anleihekaufprogramm im Juni auslaufen, sodass sich die Bilanz der Notenbank nicht mehr ausweiten wird. Chairman Ben Bernanke hat jedoch klargestellt, dass die Fed die durch auslaufende Anleihen ihres Bestands frei werdende Liquidität in Anleihen reinvestieren wird, weil eine Beendigung der Reinvestitionen einem Anziehen der monetären Zügel gleichkäme.
Das erlaubt nur zwei mögliche Schlussfolgerungen. Entweder fehlt den amerikanischen Währungshütern der Mut, den überfälligen Wechsel schneller einzuleiten, weil sie befürchten, als Sündenbock herhalten zu müssen, wenn die US-Konjunktur neue Probleme bekommen sollte, oder aber sie halten die amerikanische Wirtschaft tatsächlich immer noch nicht für so sattelfest, dass sie die Wende schon verkraften könnte.
An den Märkten wurden die Ankündigungen der Fed umgehend umgesetzt. Die Aussicht, dass die niedrigen Zinsen und üppige Liquidität in absehbarer Zeit erhalten bleiben werden, verstärkte den Auftrieb an den Aktienmärkten, die derzeit auch von der erneut die Erwartungen übertreffenden Berichtssaison beflügelt werden. Der Dax hat dabei erstmals seit dem Januar 2008 Höhen von mehr als 7500 erreicht.
Giftige Kombination
Andere Marktbewegungen zeigen jedoch die Risiken der ultralockeren Geldpolitik an. Der Goldpreis schoss nach der Fed-Tagung in die Höhe und erreichte zum Ende der abgelaufenen Woche einen Rekord von 1545 Dollar. Aus Angst vor einer sich weiter verstärkenden Geldentwertung flüchten Anleger in die vermeintlich sicheren Edelmetalle. Ein klares Misstrauensvotum sind auch die erneuten heftigen Kurseinbußen des Greenback, für den die Kombination aus ultralockerer Geldpolitik und ausufernder Staatsverschuldung der USA, deren Triple-A-Rating auf die Watchlist gesetzt worden ist, reines Gift ist. Das ist ein klares Zeichen für die amerikanischen Währungshüter, dass die Zeit gekommen ist, sich weniger vor den Risiken einer geldpolitischen Normalisierung zu fürchten als vor den Risiken eines zu lange anhaltenden ultralockeren Kurses.
Wohin überbordende Liquidität und niedrigste Zinsen führen können, hat gerade die zurückliegende Subprime- und Lehman-Krise gezeigt. Sie hat vor Augen geführt, dass eine Politik des leichten Geldes massive Fehlanreize setzen und die Bildung von Blasen fördern kann, die letztlich platzen müssen. Dass dies auch jetzt geschieht, belegt die Tatsache, dass erneut fast alle Asset-Klassen gleichzeitig steigen bzw. hohe Bewertungen aufweisen. Die nächste Krise ist damit nur noch eine Frage der Zeit.
Schäden bereits sichtbar
Schäden dieser Politik sind bereits jetzt sichtbar. So verstärkt sie den Anstieg der Rohstoffpreise und damit die Nahrungsmittelinflation, die zu den Unruhen in den arabischen Ländern beiträgt und auch in anderen Regionen der Welt die soziale Stabilität gefährdet. Darüber hinaus führt sie zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Anlagemöglichkeiten. Lebensversicherungen haben aufgrund der niedrigen Renditen, die sie in den sicheren Segmenten der Anleihemärkte erzielen können, immer größere Schwierigkeiten, ihre langfristigen Verbindlichkeiten abzudecken. Anleger wiederum können mit sicheren Investments wie Lebensversicherungen oder Staatsanleihen kaum Renditen erwirtschaften, mit denen sich die im Alter drohenden Versorgungslücken schließen ließen.
Gleichzeitig sind Ausweichmöglichkeiten kaum zu finden. Aktien haben das Problem, dass nicht zuletzt aufgrund niedriger Zinsen und üppiger Liquidität die Schwankungen so stark geworden sind, dass ihre Tauglichkeit für den langfristigen Vermögensaufbau leidet. Zur erhöhten Volatilität gesellt sich zu allem Überfluss die hohe Korrelation von Assets wie z.B. Aktien und Rohstoffen, die früher eine geringe Korrelation aufwiesen. Wenn unterschiedliche Asset-Klassen gleichzeitig entweder haussieren oder absacken, werden damit auch die Möglichkeiten eingeschränkt, durch Diversifizierung Anlagerisiken zu minimieren.
Quelle: Börsen-Zeitung