Westdeutsche Zeitung: Bitte keinen Kampf der Religionen
Archivmeldung vom 10.09.2007
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDie Debatte um die zum Islam konvertierten deutschen Terroristen wird immer kopfloser. Erst wollte der künftige bayerische Ministerpräsident Beckstein alle Konvertiten überwachen lassen. Nun fordert CDU-Generalsekretär Pofalla als Gegenmaßnahme die christliche Offensive: Kruzifixe zurück in alle staatlichen Schulen, heißt der Schlachtruf.
Und Edmund Stoiber verabschiedet sich mit
einer Bundesratsinitiative, nach der Gotteslästerung wieder schärfer
unter Strafe gestellt werden soll.
Hinter dem ersten Vorstoß steckt die Annahme, wer sich von der
Weltreligion des Islam angezogen fühle, müsse sich per se
unterstellen lassen, ein Dschihadist zu sein. Schon auf den ersten
Blick ist diese abstruse Idee mit dem Grundsatz der Religionsfreiheit
nicht in Einklang zu bringen. Wir würden zu Recht aufschreien, wenn
beispielsweise die Türkei mit Konvertiten zum christlichen Glauben in
ähnlicher Weise verfahren würde.
Mit der Wiederbelebung der Kruzifix-Debatte unterstellt die Union,
dass wir uns wegen der Vernachlässigung unserer christlichen Wurzeln
der Strahlkraft des Islam nicht erwehren könnten. Natürlich dürfen
wir nicht länger die Augen davor verschließen, dass in den
Parallelgesellschaften muslimischer Gemeinschaften in diesem Land
manche Grundregeln unserer Verfassung faktisch außer Kraft gesetzt
sind. Die Anerkennung des Toleranzgebots und die Gleichberechtigung
der Frauen können wir aber ganz sicher nicht durch einen Kampf der
Kulturen bzw. der Religionen erreichen. Zur Erinnerung: Auch die
Forderung an die Türkei, die christlichen Kirchen nicht länger zu
gängeln, fußt auf dem Grundrecht der Religionsfreiheit. Dieses aber
schützt Gläubige vor staatlicher Repression ebenso wie vor einer
Aufteilung in bessere und schlechtere Glaubensgemeinschaften.
Neutraler wirkt da schon Stoibers Forderung, in Deutschland den Straftatbestand der Gotteslästerung wieder einzuführen. Schließlich könnten davon alle Religionen "profitieren". Tatsächlich aber würden wir durch ein solches Recht die Meinungsfreiheit massiv einschränken und uns in eine Art mittelalterliche Verfasstheit zurückbeamen, die wir arabischen Regimen vorwerfen. Wie können aufgeklärte Menschen nur so törichte Debatten anstoßen?
Quelle: Pressemitteilung Westdeutsche Zeitung