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Berliner Morgenpost: Fatale Liebe zum Bargeld ein Kommentar von Dominik Barth über digitale Bezahlweisen

Archivmeldung vom 13.11.2023

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 13.11.2023 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Mary Smith

In London wundert man sich als deutscher Tourist mitunter. Pubs und Restaurants haben Münzen und Scheine aus ihren Kassensystemen verbannt und Straßenmusiker und Obdachlose häufig mobile Kartenterminals vor sich aufgebaut. Passanten spenden so bargeldlos.

Die Normalität in der britischen Hauptstadt scheint in Deutschland undenkbar. Die Bundesbürger lieben ihr Bargeld. Auch wenn Umfragen belegen, dass digitale und bargeldlose Bezahlangebote häufiger und vor allem von jungen Menschen verstärkt genutzt werden, lassen sich Münzen und Scheine nicht vollständig aus den Geldbörsen der Deutschen verbannen. Das muss man verstehen.

Eine Münze ist für viele Bundesbürger ein Stück geprägte Sicherheit. Diese Symbolik haben die Deutschen von Generation zu Generation weitervererbt: Großeltern, die dem Enkel einen Zwanziger zustecken. Ein Kind, das stolz Münzen in ein Sparschwein einwirft. Bargeld ist schon früh Teil des Erwachsenwerdens. Dabei wäre es sinnvoll, sich emotional zumindest langsam davon zu verabschieden.

Der Widerstand dagegen hat aber noch einen anderen Hintergrund: Münzen und Scheine - das seien auch Symbole für Freiheit, rufen diejenigen, die elektronische Bezahlangebote für Überwachungsinstrumente halten. Und selbstverständlich hinterlässt jede elektronische Zahlung Spuren. Wer mit Bargeld kauft, bleibt hingegen anonym. Ein schöner Nebeneffekt ist das aber vor allem für jene, die verschleiern wollen, woher sie das dabei genutzte Geld eigentlich haben. Kriminelle wissen ganz genau um die Vorzüge von Bargeld. Deutschland gilt schon seit Jahrzehnten nicht umsonst als Geldwäscheparadies innerhalb der Europäischen Union. Nicht ohne Grund setzte das mafiageplagte Italien eine Bargeldobergrenze von 5000 Euro durch, doch die deutsche Politik hält weiter dagegen. Selbst ein von der EU-Kommission ins Spiel gebrachtes Limit für Barzahlungen in Höhe von 10.000 Euro sehen Teile der Bundesregierung kritisch. Vor allem die FDP sperrt sich dagegen. Bundesfinanzminister Christian Lindner setzt stattdessen auf eine engmaschigere Strafverfolgung.

Nun sind Kriminelle längst auch in der Lage, Geld in Form von Kryptowährungen über Ländergrenzen hinweg zu bewegen. Bargeld ist jedoch nach wie vor ein wichtiger Faktor. Experten halten das Dunkelfeld in dieser Hinsicht für gewaltig. Berechnungen, wie viel Geld in Deutschland jedes Jahr gewaschen wird, reichen von 50 bis 100 Milliarden Euro. Ein schrittweiser Bargeldverzicht muss deshalb auch im Interesse der Wirtschaft selbst sein. Das würde nicht nur gegen Steuerbetrüger helfen, sondern auch Überfälle und Transporte großer Mengen Bargeld überflüssig machen.

Neue Umfragen belegen durchaus, dass gerade die jüngere Generation in der Lage ist, gänzlich ohne Münzen und Scheine auszukommen. Eine aktuelle Forsa-Studie im Auftrag des Kreditkartenanbieters Visa ergab, dass jeder fünfte Deutsche Geschäfte meidet, in denen man ausschließlich mit Bargeld einkaufen kann. Die Offenheit gegenüber dem Smartphone oder der Bankkarte als Zahlungsmittel ist also durchaus vorhanden.

Ohnehin muss der Abschied vom Bargeld ja nicht sofort geschehen. Schrittweise jedoch dafür zu sorgen, ist Aufgabe der Politik. Ein Anfang wäre gemacht, wenn Händler dazu verpflichtet würden, bargeldlose Bezahlangebote machen zu müssen. Denn allein schon aus Gründen der Vernunft muss die Liebe der Deutschen zum Bargeld irgendwann ein Ende haben.

Quelle: BERLINER MORGENPOST (ots)

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