Westdeutsche Zeitung: Marktwirtschaft statt Turbokapitalismus
Archivmeldung vom 11.10.2008
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 11.10.2008 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Thorsten SchmittOskar Lafontaine hatte Recht damals. Vor knapp zehn Jahren forderte er als Bundesfinanzminister und SPD-Chef, den kurzfristigen Kapitalverkehr stärker zu regulieren und Spekulationsgewinne einzudämmen - und wurde dafür international heftig kritisiert.
Dummerweise machte er sich kurz danach aus dem Staub und gefiel sich fortan in der Rolle des Populisten, dem es nur noch darum ging, seiner alten Partei zu schaden. Nun kann er angesichts der weltweiten Finanzkrise seine Schadenfreude kaum verbergen. Das Versagen des Kapitalmarktes ist für ihn eine Steilvorlage, um das Wirtschaftssystem insgesamt in Frage zu stellen und erneut die Verstaatlichung von ganzen Schlüsselindustrien zu fordern. Auch wenn es Teile der Linken herbeisehnen: Die Krise ist nicht der Anfang vom Ende der Marktwirtschaft. Marktwirtschaft lebt vom gesunden Gewinnstreben der Menschen, die als Unternehmer und Beschäftigte Werte schaffen und damit für den Wohlstand der Gesellschaft sorgen. Gescheitert ist etwas anderes. Gescheitert ist jener von Gier getriebene Turbo-Kapitalismus, in dem Spekulanten mit meist fremdem Geld zocken, ohne reale Werte zu schaffen. Sie taten dies bislang ohne staatliche Kontrolle und ohne genügend Transparenz. Ihr Tun war undurchschaubar - vermutlich auch für sie selbst. Das muss sich ändern. Heute heißt der Bundesfinanzminister Peer Steinbrück, und der taucht nicht ab, wenn es unangenehm wird. Zwar macht sein Maßnahmenpaket zunächst misstrauisch. Die besten Medikamente sind ja bekanntlich jene, die mit einem einzigen Wirkstoff auskommen; Mix-Präparate sorgen meist für Nebenwirkungen. Doch bei genauerer Betrachtung überzeugt Steinbrücks Acht-Punkte-Plan. Die riskantesten Spekulationsprodukte sollen verboten und die Bilanzen der Banken transparenter werden. Manager, die schuldhaft versagen, sollen dafür haften, statt nach Pleiten auch noch mit dem "goldenen Handschlag" verabschiedet zu werden. Alles zielt darauf ab, neues Vertrauen zu schaffen. Kurzfristig könnte es auch für Deutschland sinnvoll sein, die Banken teilweise zu verstaatlichen. Ist die sich immer schneller drehende Spirale der Angst erst einmal gestoppt, sollte sich der Staat aber wieder zurückziehen - im besten Falle sogar mit Gewinn.
Quelle: Westdeutsche Zeitung (von Alexander Marinos)