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Westfalenpost: Pflicht und Kür

Archivmeldung vom 20.10.2008

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 20.10.2008 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Die SPD sortiert sich neu Von Winfried Dolderer Die SPD hat ihre Führungskrise beigelegt. Sie hat neues Selbstbewusstsein gewonnen. Sie zweifelt nicht mehr an sich und ihrer Politik. Sie hat ihre streitenden Flügel ausgesöhnt.

Sie ist geschlossen, entschlossen und einig auf dem Marsch zur Rückeroberung des Kanzleramtes. Das ist das Signal dieses Wochenendes. Ist es das? Zweifel sind erlaubt, wenn man die Wahlergebnisse betrachtet, das überwältigende für den Kandidaten, das deutlich mäßigere für den alten und neuen Parteichef. Sie sind ein Symptom fortdauernden Zwiespalts. Die SPD hat ihre Krise beigelegt, indem sie einen Vorsitzenden für die Pflicht gewählt hat. Und einen für die Kür. Der für die Kür, das ist Steinmeier, der im Neuköllner Estrel-Zentrum sein bis vor kurzem kaum vermutetes Talent unter Beweis gestellt hat, die Genossen rhetorisch in seinen Bann zu schlagen, und sich als Projektionsfläche für alle möglichen Wünsche und Hoffnungen angeboten hat. Dagegen ist Müntefering der Pflichtmensch an der SPD-Spitze. Er hält der Partei ein Verständnis sozialdemokratischer Identität als Einsicht in die Notwendigkeit des Regierens entgegen: Pragmatisch handeln zu sittlichen Zwecken, wie er formuliert. Das ist ein anstrengendes Programm, gewiss ab und an auch eine Zumutung für die Genossen. Werden sie ihm auf Dauer folgen? Jetzt und bis auf weiteres sicherlich. Parteitage sind immer auch Autosuggestions-Veranstaltungen. Doch jenseits der Kunstlichtwelt der Parteitagshalle lauert die politische Realität. Die politische Realität für die SPD heißt nach wie vor: schwache Umfragewerte, Mitgliederschwund, die Konkurrenz der Linkspartei. Vor allem letztere: Es mag ja sein, dass nach der Erfahrung der Finanzkrise die Menschen für sozialdemokratische Botschaften empfänglicher sind. Doch die hören sie von Lafontaine und Gysi genauso gut wie von der SPD, vielleicht noch deutlicher. Der Unglücksrabe Beck ist nicht zuletzt an dem Versuch gescheitert, sich diese Konkurrenz vom Hals zu schaffen, indem er sich so weit wie möglich nach links verbog. Wie das dem Duo Franz und Frank gelingen soll, die beide weiter rechts stehen als das Gros ihrer eigenen Partei, das wird eine interessante Frage.

Quelle: Westfalenpost

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