Börsen-Zeitung: Nur keine Panik!
Archivmeldung vom 28.05.2011
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittAn den Finanzmärkten kommt zurzeit einiges zusammen: Die Schuldenkrise im Euroraum hält die Verunsicherung der Investoren hoch, Zweifel an der Kreditwürdigkeit wachsen nun aber auch in den USA und Japan, nachdem Ratingagenturen den Ausblick für diese beiden Big Player der Weltwirtschaft gesenkt haben. In großen Schwellenländern sorgen sich Anleger zugleich um eine Überhitzung der Konjunktur, während global die Hinweise auf eine wachsende Teuerung zunehmen.
Außerdem signalisieren vielbeachtete Konjunkturindikatoren wie der ISM-Einkaufsmanagerindex für die Vereinigten Staaten und der Ifo-Geschäftsklimaindex für Deutschland, dass in den nächsten Monaten mit einer nachlassenden wirtschaftlichen Dynamik zu rechnen ist.
Zu allem Überfluss steht nun im Juni in den USA das Ende des zweiten Programms zum Ankauf von Anleihen ("QE2") an, wenn die Federal Reserve nicht doch noch völlig überraschend eine Kehrtwende vollzieht. Es ist unstreitig, dass dieses Ankaufprogramm an den Finanzmärkten zu einer üppigen Liquiditätsversorgung geführt hat - ebenso wie bereits das erste Programm ("QE1"). Anleger lenkten diese Mittel vor allem in renditestarke, risikobehaftete Assets wie Rohstoffe und Aktien, und dies wirft nun natürlich die Frage auf, ob das Ende der quantitativen Lockerung Aktienkurse und Rohstoffpreise belastet und wie es um US-Staatsanleihen bestellt ist.
Um diese Fragen zu beantworten, ist erst einmal festzustellen, dass QE2 zwar endet, die Notenbank aber frei werdende Mittel aus Bond-Investments direkt neu investieren will. Am Markt besteht daher die Zuversicht, dass die von den Vereinigten Staaten offerierten Anleihen auch in Zukunft auf eine ausreichende Nachfrage treffen werden, es sei denn, internationale Investoren würden ihre Quoten spürbar absenken. Davon geht zurzeit aber kaum jemand aus. Die Rendite der US-Papiere dürfte sich also stabil weiterentwickeln. Zehnjährige Titel schwankten zuletzt um 3,5%, fünfjährige hielten sich oberhalb von 2%.
Die Geldpolitik in den USA wird folglich sehr expansiv bleiben, solange die Federal Reserve nicht von den Reinvestments abrückt. Sie wird damit die Wirtschaft weiterhin stimulieren und die Perspektive einer anhaltenden konjunkturellen Erholung untermauern. Eben darin liegt aber der Unterschied zum Sommer 2009, als das erste Ankaufprogramm der Währungshüter endete. Unter Analysten wächst daher die Überzeugung, dass die Entscheidung der Federal Reserve zumindest auf die Aktienmärkte der Industrieländer keinen wesentlichen Einfluss nehmen wird.
Ein Blick auf den Kursverlauf vielbeachteter Aktienindizes wie des Stoxx600 belegt in der Tat, dass die Notierungen nach dem Start des ersten Aufkaufprogramms kräftig vorrückten, während sie sich im Zuge des Nachfolgeprogramms nur noch leicht verbesserten. Dies legt den Schluss nahe, dass Investoren damals mit ihren Aktien-Investments vor allem darauf reagierten, dass die Frühindikatoren anzogen und konjunkturelles Wachstum anzeigten; bei Auflage von QE2 wuchsen hingegen bereits die Zweifel, ob die Frühindikatoren nicht schon den Gipfel erreicht haben und die konjunkturelle Dynamik abnehmen wird. Für Europas Aktienmärkte dürften sich die vom positiven Gewinntrend bei den Unternehmen und einer attraktiven Bewertung getragenen guten Perspektiven also nicht eintrüben, wenn QE2 endet.
In den USA deutet derweil die extrem defensive Positionierung großer internationaler Investoren an, dass negative Neuigkeiten schon ausreichend eingepreist worden sind: Nach einer Analyse der HSBC hatten Anleger US-Aktien im April so stark untergewichtet wie während der zurückliegenden fünf Jahre nicht. Bei einer weiteren Stabilisierung der US-Wirtschaft dürften amerikanische Aktien also wieder mehr Investoren locken - mit entsprechend positivem Effekt auf die Kursentwicklung.
Mit Blick auf die Aktienmärkte der Schwellenländer müssen sich Anleger allein wegen des auslaufenden Fed-Programms ebenfalls nicht sorgen: Dort gaben die Kurse zuletzt bereits nach - trotz der enorm hohen Liquidität. Akteure stellen das in Zusammenhang mit der strafferen Geldpolitik etwa in China und Brasilien. Zumindest für diese beiden Länder zeigen sich Analysten deshalb auch weiterhin skeptisch - ob mit oder ohne QE2.
Die größten Fragezeichen stehen daher hinter der zu erwartenden Performance der Rohstoffpreise. Angesichts der jüngsten Korrektur der Preise dürfte der Markt aber bereits vieles gesehen haben - zumal die Nachfrage aus den stark wachsenden Emerging Markets hoch bleibt und Rohstoffe auch Schutz gegen Inflation bieten. Das Fazit lautet daher: nur keine Panik!
Quelle: Börsen-Zeitung (ots)