Rheinische Post: Rettet Bayreuth!
Archivmeldung vom 30.04.2008
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDie Frage, wie viele Personen in Bayreuth künftig das Sagen haben sollten, ist einfach zu beantworten: höchstens zwei. Besser nur eine. Seit Jahren gibt es den Wunsch, dass diese Schlangengrube ausgehoben werde. Dass die Geheimniskrämerei und Wagner-Vergötterung ein Ende habe.
Dies freilich wäre das Ende Bayreuths. Es ist der letzte deutsche Ort, an dem geistige Renitenz und ästhetischer Eigensinn ausdrücklich vorgesehen sind. Eine Familie herrscht, die Werke ihres Urahns pflegend, über das Volk der Verehrer. So verkehrt ist das nicht. Es verleiht jeder Reise nach Bayreuth etwas von Wallfahrt zu den letzten Dingen, von einem Opfergang, bei dem indes musikalische Drogen konsumiert werden. In Bayreuth begegnen einander Buße und Lust - dazu zählt das Nichtwissen, was einen erwartet. Deshalb muss die Macht in Bayreuth einsam sein, begründungsfrei und autoritär. Pseudodemokratische Eroberung durch das Rasenschach der Politiker und den Rechen gelernter Intendanten kann der Grüne Hügel nicht gebrauchen. Zu Bayreuth gehört Maßlosigkeit - Wagner selbst war maßlos, sein Werk ist es nicht minder. Diese ewige Maßlosigkeit ist Bayreuths Auftrag und Chance, andernfalls kann man es vergessen.
Quelle: Rheinische Post (von Wolfram Goertz)