LVZ: Faule Eier
Archivmeldung vom 22.11.2005
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 22.11.2005 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Thorsten SchmittEs stinkt zum Himmel, was in Deutschland so verramscht wird. Ganz frisch kriecht dem Verbraucher gerade der Geruch von über 70 Tonnen verfaultem Fleisch in die Nase. Vor Wochen rief schmieriges Geflügel im Döner Ekel hervor.
Aus Vorsicht legten sich kürzlich Fans von
Tütensuppen und Gummibärchen Enthaltsamkeit auf, weil Abfälle, die
man Hunden nicht zum Fraß vorwirft, an lebensmittelverarbeitende
Betriebe verkauft worden waren. Die Lust an Buletten hat längst ein
Handelskonzern verdorben, der seine Mitarbeiter dafür bezahlte, das
Haltbarkeitsdatum von überlagertem Hackfleisch zu verlängern.
Die heilige Kuh der Lebensmittelsicherheit wurde in Deutschland auf
die Schlachtbank geführt. Alle sahen zu. Jetzt, da sie schmerzlich
vermisst wird, geht ein Aufschrei durch die Verbraucherlandschaft.
Leider will niemand wahrhaben, dass der Hang zum Geiz und der
Preiskrieg im Handel die Agrar- und Ernährungswirtschaft wahnsinnig
unter Druck gesetzt hat. Kriminelle Energie scheint für den einen
oder anderen der einzige Ausweg. Um Milch billiger herzustellen als
Wasser, muss man schon zaubern oder betrügen können. Doch
Preisbewusstsein der Kunden legitimiert noch lange keine
Resteverwertung. Wer Abfall als Lebensmittel deklariert und zu Geld
macht, dem muss das Handwerk gelegt werden.Aber es gibt noch andere
faule Eier, die die Luft verpesten.
Undurchsichtiger Dunst steigt auf, lüftet man den Deckel über dem
System der Lebensmittelüberwachung. Der Bund verweist auf die Hoheit
der Länder. Die Länder wiederum beklagen fehlende Mittel für ein
effizientes System der Kontrollen. Bei dem Vorschlag von Union und
FDP, die Lebensmittelüberwachung zu privatisieren, stockt einem
glattweg der Atem. Das Vertrauen in gut bezahlte Manager, Dienst für
die Allgemeinheit zu tun und dabei nicht mehr als verdient in die
eigene Tasche zu wirtschaften, ist nach diversen Schmiergeld- und
Betrugsaffären erschüttert.
Im Interesse der Verbraucher und der Branche fehlt bislang eine
bundesweite Regel, bei Verstößen gegen das Lebensmittelrecht
Herstellernamen, Produkte und Chargen zu veröffentlichen. Aber am
Ende haben es Industrie und Verbraucher selbst in der Hand, die Luft
rein zu halten. Die Industrie kann für gesunde Produkte und
ausreichende Kontrollen in den eigenen Reihen sorgen. Das jüngste
Beispiel des Zentralverbandes der Geflügelschlachtereien, Kommunen
bei der Überwachung kleinerer Betriebe zu unterstützen, könnte Schule
machen. Der Verbraucher wiederum muss bereit sein, den Aufwand über
den Preis zu bezahlen.
Quelle: Pressemitteilung Leipziger Volkszeitung