LVZ: Verantwortung der Eltern
Archivmeldung vom 21.09.2007
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 21.09.2007 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Thorsten SchmittWer wollte dem widersprechen: Ohne Zweifel leben im Wohlfahrtsstaat Deutschland trotz historisch hoher Umverteilung von Einkommen zu viele Kinder in wirtschaftlich schlechten Verhältnissen. Kinderarmut ist ein Skandal, der offenbar leichter anzuprangern als zu bekämpfen ist.
Deshalb überbieten sich alle Jahre wieder zum Weltkindertag
Politiker und Promis mit schönen Vorschlägen, die meistens nur einen
in die Pflicht nehmen: den überforderten Staat. Endlich müssten nach
den Tier- auch die Kinderrechte im Grundgesetz verankert werden,
fordern Unicef-engagierte Polit-Rentnerinnen wie Heide Simonis und
Leinwand-Diven wie Katja Riemann. Klingt gut, hilft konkret aber
wenig. Und Ministerin von der Leyen stellt höheres Kindergeld für
Kinderreiche in Aussicht, weil Kinder-Reichtum und Kinder-Armut oft
dasselbe sind.
Vize-Kanzler Müntefering will armen Kindern lieber Gutscheine für
Essen und Schulisches zukommen lassen, weil er zu Recht vermutet,
dass manche zusätzliche Geld-Zuwendung an Eltern überall landet, nur
nicht in Form von Frühstück, Obst, Mittagessen oder Büchern bei den
um ihre Chancen gebrachten Kindern. Damit trifft Müntefering noch am
zielgenauesten die harte Realität. Sicher wird der SPD-Sozialminister
nicht allen Eltern in einkommensschwachen oder von staatlichen
Transferleistungen lebenden Familien vorwerfen wollen, in Zigaretten,
Bier und Unnötiges Geld zu stecken, was den Kindern dann fehlt. Mit
Münteferings Gutschein-Methode würde jedoch Missbrauch erschwert, zum
Wohle der Kinder. Aber warum sollen nur die Familien Gutscheine
erhalten, die sowieso schon von Sozialleistungen existieren? Dies
vergrößerte die Ungerechtigkeit für Eltern mit niedrigem Einkommen,
die durch Arbeit für sich selbst und ihre Kinder sorgen. Wer Arbeit
hat und Kinder großzieht, darf nicht nur als steuerzahlende Milchkuh
bestraft werden.
Wie die meisten anderen Politiker traut sich der politisch
überkorrekte Müntefering nicht, beim Thema Kinderarmut des Pudels
Kern zu benennen: Kinder kommen in Deutschland nicht ohne Obst und
belegter Schnitte, Bemme, Stulle oder Butterbrot in die Schule, weil
es am Geld fehlt, sondern meistens, weil die Einstellung der Eltern
nicht stimmt. Armut ist erst dann mit Bildungsferne und Fehlernährung
gleichzusetzen, wenn im Elternhaus kein Wert auf regelmäßige
Mahlzeiten, Erziehung und gute schulische Leistungen gelegt wird.
Kinderarmut ist nicht durch den Verzicht auf Markenklamotten
gekennzeichnet. Eltern sein, heißt sich verantwortungsvoll kümmern zu
müssen. Bei der Ausübung dieser Verantwortung wachsen die Defizite in
den bundesdeutschen Haushalten, oft unabhängig vom Einkommen. Auch in
Familien der Besserverdienenden hat Bildung mitunter nicht mehr den
hinreichenden Wert, wird nicht auf gesunde Nahrung geachtet. Die zu
geringe Zahl von Abiturienten und Studierenden in Deutschland belegt
das. Dies war in den Nachkriegsgenerationen grundlegend anders, als
das Streben nach Aufstieg Unter- und Mittelschicht viel stärker
prägte als im heutigen Wohlfahrtsstaat. Was aber in den Familien
schief läuft, das können weder die Lehrer in den Schulen noch der
Staat wieder reparieren. Kinderarmut hat viele Facetten.
Quelle: Pressemitteilung Leipziger Volkszeitung