Neues Deutschland: zur Hartz IV-Optimierung
Archivmeldung vom 11.05.2006
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittJetzt wird es schlüpfrig. Der nordrhein-westfälische Arbeitsminister plädiert für den institutionalisierten staatlichen Voyeurismus. Das Objekt seiner Begierde: Hartz IV-Empfänger, die sich als Singles ausgeben, aber in einer eheähnlichen Gemeinschaft leben.
Sie sollen demnächst nicht nur
nach Auffassung von Karl-Josef Laumann für den weiteren Empfang des
üppigen Vergnügungssalärs in Höhe von 345 Euro beweisen, dass sie den
lieben langen Tag, den sie nicht auf Arbeit, sondern daheim sein
dürfen, nicht etwa als Liebespaar verbringen - sonst ist Pumpe mit
dem Leben auf Pump. Arbeitslosengeld II sollen Menschen ohne Job,
die in einer Wohngemeinschaft leben, nur noch dann erhalten, wenn sie
glaubhaft beweisen können, mit keinem ihrer MitbewohnerInnen hin und
wieder unter einer Decke zu stecken.
Wie das mit der im Zuge der Hartz-IV-Optimierung geplanten
Beweislast-Umkehr in Sachen Bedarfsgemeinschaften stattfinden soll,
sind uns die Politiker bislang schuldig geblieben. Fragen über
Fragen. Müssen die vermeintlich lustvollen Abzocker zum
vertrauensvollen Gespräch bei der Sitte vorbeischauen, beim
Gynäkologen den schriftlichen Nachweis sexueller Enthaltsamkeit
einholen oder dem Mitarbeiter der Arbeitsagentur regelmäßig ihre
unterschiedlichen Schlafstätten vorführen? Wer verleiht den
kostspieligen Titel »eheähnliche Gemeinschaft«, wer den Jagdschein
»alleinstehend«? Wie oft wird derlei Urteil einer Evaluation
unterzogen? Und schließlich: Hat sich Peter Hartz, Erfinder und
Namensgeber für all das Ungemach, solche schlüpfrigen Blicke unter
die Bettdecke womöglich auf einer seiner Lustreisen mit dem
VW-Betriebsrat ausgedacht?
Quelle: Pressemitteilung Neues Deutschland