WAZ: Merkels späte Entscheidung
Archivmeldung vom 09.04.2010
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittAngela Merkels Zusage, den schweren Gang zur Trauerfeier ins niedersächsische Selsingen mitzugehen, wird den Angehörigen hoffentlich gut tun. Den Charakter einer schadensbegrenzenden Last-Minute-Entscheidung verliert sie darum nicht.
Die Frau, die es vermeidet, sich von Verlierer-Themen infizieren zu lassen, springt beim traurigsten Kapitel der deutschen Afghanistan-Misere nicht so sehr aus tief empfundenem persönlichen Antrieb. Sondern weil ihr ein Massenmedium das Stöckchen hinhält.
Seltsam. Warum muss eine Regierungschefin erst in die flüchtige Währung der Meinungsforscher übersetzen, was ihr Erscheinen oder Nichterscheinen am Grab gefallener Soldaten bringt? Jeder Staat hat eine besondere Verantwortung für diejenigen, die er ausschickt, um in seinem Namen für Werte wie Freiheit und Demokratie zu kämpfen.
Es sollte unstrittig sein, dass die Bundeswehrsoldaten in Afghanistan ein Opfer bringen, das weder ihr Sold ausgleicht noch der Hinweis auf spezifische Berufsrisiken. Wer im Namen seines Landes sein Leben zu geben bereit ist, hat im Todesfall am Grab Worte verdient, die nach Wirklichkeit klingen. Und den offen bekundeten Respekt der politisch Verantwortlichen.
Quelle: Westdeutsche Allgemeine Zeitung