40. Todestag von Rudi Dutschke…nicht die Idioten der Geschichte
Archivmeldung vom 23.12.2019
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Freigeschaltet durch André OttSelbst ein Blick zurück ist niemals statisch, und auch das Bild der Toten verändert sich, weil die Bewegungen der Lebenden, zu ihnen hin oder von ihnen fort, wie Geisterspuren jene Punkte markieren, an denen sie die Verlängerungen der abgebrochenen Wege kreuzen. Oder es scheint, als hätten sich die Toten bewegt, weil das ganze Blickfeld von einer Rückschau zur anderen gewandert ist.
Dabei sind sie, die Toten, doch tot, und still, und stumm, und nur wir Lebenden entscheiden darüber, ob wir ihre abgeschnittenen Fäden aufgreifen, um an sie anzuknüpfen, oder ob wir sie fallen lassen und ihnen den Rücken zukehren.
Als zu Weihnachten 1979 die Meldung eintraf, Rudi Dutschke sei am 24.12.
gestorben, war das selbst für uns Nachgeborene, die politischen Kinder
der 70er, eine erkennbare Zäsur. Das Jahr 1968 war schon zur abendlichen
Erzählung geworden, der man mit einer Mischung aus Neid und Neugier
lauschte; die Bonner Republik, der damals kurz das Bettzeug
aufgeschüttelt worden war, hatte schon längst zu Berufsverboten und
Antiterrorgesetzen gegriffen, um wieder für Ruhe im Land zu sorgen, und
dennoch war es diese Meldung, die die Hoffnung, das Jahr 68 könnte noch
einmal wieder auferstehen, endgültig schwinden ließ.
Aber selbst wir konnten schon nicht mehr ermessen, wie gewaltig die Wegstrecke war, die in den vier kurzen Jahren, die Rudi Dutschke prägte, genommen wurde. Ein kleines Detail fasst den Charakter der Adenauerschen Republik zusammen. Beim Bundestagswahlkampf 1961, als Willy Brandt gegen Adenauer antrat, wurde ihm, so der Historiker Jürgen Bevers, von Adenauers Kanzleramtschef Globke (1) vorgeschlagen, man werde ihm, Brandt, seine Jahre im Exil und im Widerstand im Wahlkampf nicht vorwerfen, wenn er dafür zu Globkes Verfasserschaft der Nazi-Rassengesetze schwiege (2).
Brandt soll auf den Vorschlag
eingegangen sein.
Wenn von Kommunen die Rede ist, die auch Dutschke begrüsste, in denen
bei gemeinsamem Budget und freier Liebe die Kreativität erblühen sollte,
denkt man sicher schnell an die Pille, aber kaum noch an den
Kuppelei-Paragrafen, der es unter Strafe stellte, erwachsenen
unverheirateten Paaren Räume zur Verfügung zu stellen (3), in denen
diese miteinander schlafen könnten; der Paragraf war 1968 noch in Kraft.
Der Wunsch nach antiautoritärer Erziehung war auch eine Reaktion auf
eine Gesellschaft, in der nicht nur Eltern ihre Kinder, sondern auch
Lehrer ihre Schüler prügeln durften und dies auch taten; erst 1973
erging ein Gerichtsurteil, das die Prügelstrafe in
Erziehungseinrichtungen untersagte, und noch 1988 entschied der BGH (4),
Eltern dürften ihre Kinder mit Gartenschläuchen züchtigen.
In der DDR wurde körperliche Gewaltausübung durch Lehrer übrigens bereits 1949 verboten... 1977 war dann endlich auch die Bundesrepublik so weit, selbst verheiratete Frauen wie mündige Erwachsene zu behandeln und ihnen den Abschluss eines Arbeitsvertrags ohne schriftliche Genehmigung des Ehemannes zu erlauben. An jenem Wintertag des Jahres 1979 war allerdings auch noch nicht zu erahnen, wie weit sich das Rad zurückdrehen lassen würde, in ununterbrochener Reihe, von Kohl über Schröder bis hin zu Merkel; lag der große Verrat, den insbesondere die in jenen Tagen noch nicht gegründete Partei der Grünen am Nachlass des Jahres 68 begehen sollte, noch in ferner Zukunft...weiterlesen hier: https://kenfm.de/standpunkte-%e2%80%a...
Quelle: KenFM von Dagmar Henn