Lausitzer Rundschau: Zur Konjunkturprognose der Bundesregierung
Archivmeldung vom 17.10.2009
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 17.10.2009 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Thorsten SchmittWeltweit, in Europa und in Deutschland verkünden die Experten nach einem Jahr schon wieder das Ende der Krise. Dass sie anders als die Weltwirtschaftskrise 1929 so wenig spürbar ist, liegt zum einen an den ausgefeilten Sozialsystemen. Vor allem die Kurzarbeit hat viele Hunderttausend Menschen vor einem tiefen Fall bewahrt.
Zum anderen hat der Staat diesmal klug reagiert und dem Misstrauen der Märkte seine scheinbar grenzenlosen Ressourcen in Form von Bankgarantien und Konjunkturprogrammen sowie seine Kontrollmacht entgegengestellt. Bis auch der Letzte wieder Vertrauen fasste. Der soziale, starke Staat hat dem neoliberal überspitzten Markt aus dem Schlamassel geholfen, das ist die Quintessenz der Ereignisse. Es ist deshalb bedauerlich, dass die neue Regierung die positiven Wachstumszahlen fast ausschließlich unter dem Gesichtspunkt möglicher Spielräume für Steuersenkungen sieht, die den Staat wieder schwächen. Diese sehr verengte Sicht hindert die schwarz-gelben Koalitionäre daran, einige ungleich wichtigere Schlussfolgerungen zu ziehen. So war eine Erkenntnis aus der Finanzkrise, dass die Orientierung am langfristigen Unternehmens- und Gemeinwohl gegenüber dem kurzfristigen Profitstreben gestärkt werden müsse. Doch in praktische Politik umgesetzt wurde dies bisher nur unzureichend, wie die wieder steil ansteigenden Bonus-Versprechungen zeigen. Auch wird nicht einmal versucht, das verhängnisvolle Spiel mit dem Geld einzudämmen, etwa durch eine Börsenumsatzsteuer. Außerdem: Die dicke Rechnung für das Krisenmanagement kommt noch. Fünf Prozent Minus in diesem Jahr, das bleibt nicht ohne Spuren in den öffentlichen Haushalten, auch nicht in den Sozialkassen. Das ist erst in Jahren wieder aufgeholt. Statt die neuen Spielräume jetzt zu verplempern, wäre es wesentlich sinnvoller, sie durch Sparen zu erweitern - und dann für die Haushaltskonsolidierung einerseits und Zukunftsprogramme andererseits einzusetzen. Die industrielle Basis, die Herstellung hochwertiger Produkte vor allem des Maschinenbaus, der Automobilindustrie, der erneuerbaren Energien und der Chemie ist Deutschlands Stärke. Nicht die Finanzmärkte und nur eingeschränkt der Dienstleistungssektor. Doch wird diese starke internationale Marktstellung Deutschlands durch die Konkurrenz aus den Schwellenländern schon seit längerer Zeit angegriffen. Auch die Chinesen können Ingenieur. Deutschland muss deshalb in seinen einzigen Rohstoff, die Menschen, viel mehr investieren als heute. Also in Bildung, Forschung, Integration und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Wenn es neue Spielräume gibt, dann sollte man sie dafür nutzen.
Quelle: Lausitzer Rundschau