Kommissare auf Irrwegen, Kommentar von Ulli Gericke zu den Forderungen der KEK Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich an Springer und ProSiebenSat.1
Archivmeldung vom 28.12.2005
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittMan kann – mit guten Gründen – das Vorhaben des Axel Springer- Verlags, die TV-Gruppe ProSiebenSat.1 zu übernehmen, für wettbewerbspolitisch gefährlich halten. Ebenso berechtigt sind die Befürchtungen, aus der Kombination von mächtiger „Bild“-Zeitung und publikumsstarken Fernsehsendern könnte ein Meinungsmonopol erwachsen.
Und auch generell darf daran gezweifelt werden, ob die
hiesigen Privatsender der Informationsvermittlung sonderlich
behilflich sind. Aus all dieser Skepsis darf jedoch nicht folgen,
dass Medienkommissare einen ordnungspolitischen Systembruch verfügen,
der aus privat verfassten (Hörfunk- oder TV-)Sendern
Gemeinwohleinrichtungen macht – ohne dass die Betreiber an den
öffentlich-rechtlichen Gebühren teilhaben könnten.
Genau diese Mutation fordert jedoch die KEK Kommission zur
Ermittlung der Konzentration im Medienbereich von ProSieben als
Gegenleistung für die gewünschte Übernahme der TV-Gruppe durch
Springer. Die Wut in Berlin, wo von „Enteignung mit
Nachschusspflicht“ gesprochen wird, ist verständlich. Aber
nachvollziehbar? Schließlich deutete sich diese weltfremde Sicht der
Dinge schon vor Wochen an. Bereits nach dem letzten Treffen zwischen
KEK und Springer-Chef Mathias Döpfner verbreiteten die Potsdamer die
Forderung nach einem binnenpluralen TV-Beirat, der sicherstellen
soll, dass im Programm – „losgelöst von Marktinteressen“ – die
gesamte Breite von Meinungen zum Ausdruck kommt.
Die Berliner hätten also vorgewarnt sein müssen.Doch dass
ProSieben künftig nicht mehr primär für die werbeinteressante
Altersgruppe der 14- bis 49-Jährigen senden soll, sondern vor allem
für Theater- und Naturinteressierte, und ein Religionsprogramm plus
Zeitgeschehen im Angebot haben muss, überstieg wohl alle
Vorstellungen. Wie auch die Forderung, dass Springer für die
Finanzierung dieses bunten Kulturprogramms zu sorgen habe. Wie aber
soll der Vorstand vor seine Aktionäre treten, sollte er diese
Forderungen akzeptieren? Kein Wunder, dass es Springer strikt
ablehnt, auf die ökonomische Kontrolle eines Senders zu verzichten.
Jetzt sind aber auch die anderen Privaten gefordert, angesichts der
wirtschaftlichen Wunschträume der Staatsaufsicht Widerspruch zu
formulieren – unabhängig vom strittigen Fusionsvorhaben
Springer/ProSieben.
Quelle: Pressemitteilung Börsen-Zeitung